Alltagsgeschichten

Mein UAZ

Unsere Zeit in Orsk geht langsam aber sicher dem Ende entgegen. Bald werde ich mich wieder auf anderen Baustellen in Russland herumtreiben, aber vorher müssen wir noch alles Brauchbare sichern und ein bisschen näher an Moskau heranbringen.  Dazu werden wir am Wochenende unseren UAZ packen und rund 2000 km Richtung Westen fahren. Der Routenplaner hat uns eine Strecke über Orenburg, Samara, Nichny Nowgorod nach Jaroslawl vorgeschlagen, um die Sache nicht zu anstrengend zu machen, habe wir dafür 3 – 4 Tage eingeplant.

Unser UAZ ist erst gut ein Jahr alt und hat erst  10 000 km auf dem Tacho, aber bis jetzt ist kein Monat vergangen in dem nicht irgendeine Reparatur fällig war (Ölleckagen, Probleme mit der Elektrik, leere Batterie usw.). Ich hoffe nun, dass er jetzt seine Kinderkrankheiten überwunden hat und wir irgendwann Anfang der nächsten Woche Jaroslawl erreichen.  Unser UAZ hat einen 2,4 l Benzin Motor und verbraucht so um die 20l Benzin für  100 km, wenn über 100 km/h fährt sind es schon mal 30 l/100 km, darum hat er auch zwei Tanks zu je 40l, Einfüllstutzen  dafür sind jeweils links und rechts, was das Tanken sehr problematisch macht, wenn man alleine ist, weil sich die Zapfsäule beim Einhängen der Zapfpistole abschaltet, was dann ein nochmaliges Bezahlen zur Folge hat (In Russland muss man an der Tankstelle bezahlen, bevor man tankt).

Siehe auch:  http://de.wikipedia.org/wiki/Uljanowski_Awtomobilny_Sawod

UAZ und Fahrer

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Ein Tag im Kartenhaus

Es gibt viele Möglichkeiten ein Geschäft zu ruinieren. Eine ist es zum Beispiel unfreundlich zu sein und sämtliche Kunden zu vergraulen. Eine andere, genau dort ein Restaurant zu eröffnen, wo bereits die letzten zehn Besitzer kein Glück hatten. Andere wiederum kommen in Zahlungsschwierigkeiten und so weiter uns so fort. Eine andere Möglichkeit ist natürlich, eine Stelle so unglaublich falsch zu besetzen, dass selbst bei größter Anstrengung der Mitarbeiter keine Chance hat, auch nur irgend etwas richtig zu machen. Da könnte man zum Beispiel einen sehr kleinen Menschen im Hochregallager arbeiten lassen oder einen Pazifisten an eine Gulaschkanone stellen. Stets dürfte der erwünschte Output nicht den Erwartungen entsprechen.
Ein andere, noch viel effizientere Methode das Geschäft zu schädigen ist es, die dicke Frau im Kartenhaus arbeiten zu lassen. Nicht irgendeine dicke Frau sondern genau die in dem speziellen Kartenhaus, in dem ich heute meine Handballkarten kaufte.
Ich war die dritte Person in einer Schlange von Personen, die Karten für irgendwelche Events kaufen wollten. So viel war klar. Unklar hingegen ist, warum ich erst nach zehn Minuten bedient wurde. Doch als ich die Arbeitsabläufe live miterleben durfte, war mich schon nach sehr kurzer Zeit sehr wohl klar, was hier so stockte.
Die fette Frau war wie ein Pfropfen in einem Wasserrohr. Interessanterweise hielt sie nicht das Wasser auf, sondern die Zeit. Sie war so konzipiert, dass sich hinter ihr viel Zeit staute. Doch wie machte sie das bloß?
Ich gebe nun einen Einblick in Tätigkeit, die sie selber als Arbeit bezeichnen dürfte, wohingegen Außenstehende eher den Term Arbeitsverweigerung bevorzugen würden.
„Drei ermäßigte Handballkarten bitte“, sagte ich. „Hmm, ja, Handballkarten, wann denn?“ – „Sonntag gleich bitte“ – „Ja, Sonntag, ok…“. Sie wälzte sich zum Bildschirm ihres PCs. Ich sah sie nur von oben, da sie zwischen die Lehnen ihres Drehstuhls gepresst war. Ihre grauen Haare waren hell gefärbt. An ihren Fingern befanden sich wahrscheinlich Fingernägel, obwohl es eher nach Alufolie aussah (vielleicht war es quecksilberhaltiger Nagellack?). Während mir all diese Gedanken durch den Kopf gingen, hatte sie es in der Zwischenzeit zumindest schon einmal geschafft, die Maus über das Icon zum Ticketverkauf zu balancieren und nach mehrmaligem Versuchen auch einen Doppelklick zustande gebracht. Nun ging es darum, einen Benutzernamen und Passwort einzutragen.
Das sah dann so aus, dass die dicke Frau ihren linken Arm auf die Schreibtischkante stützte, sodass die dicken Titten nicht die Tastatur blockierten, damit sie mit dem rechten Zeigefinger säuberlich einen Buchstaben nach dem anderen antippte. Leider war der Cursor nicht im Textfeld aktiv, sodass dieser Vorgang zweimal durchgeführt werden musste.
Eine zweite Mitarbeiterin, die der ersten in Sachen Kompetenz nur um Haaresbreite voraus war, versuchte der dicken Frau stets gute Hinweise zu geben („Jetzt müssen Sie auf Suchen klicken“, „Hier doppelt“, „Oh, warum geht das denn jetzt nicht?“, „Lassen Sie mich mal kurz“).
Ich fragte, ob sie denn einen Hallenplan bereit hätte. Voller Stolz berichtete sie mir, dass wir gleich am Bildschirm den Hallenplan sehen werden. (Inzwischen hatte die zweite Mitarbeiterin das Passwort eingegeben, da sich die dicke dabei vertippt haben musste und schlichtweg überfordet war). Konnte die Dicke etwas nicht recht erkennen, stand sie stets auf und berührte mit der Nasenspitze fast den Bildschirm. Mich wunderte es, dass sie nicht im Stuhl steckenblieb.
Nun kam die schwerste Übung der Kür. Ich wollte den ermäßigten Tarif haben. Die zweite Mitarbeiterin teilte mir mit, dass es so etwas nicht gäbe. „Doch“, sagte ich, „den gibt es sehr wohl.“ Nun schauten sie beide auf den Bildschirm wie ein Schwein ins Uhrwerk. Plötzlich kam der Zweiten die zündene Idee, auf den Scrollbalken zu klicken und diesen dann auch noch herunter zu ziehen. Voller Erstaunen nahmen die Beiden dann wahr, dass es tatsächlich ermäßigte Preise gab. Es dauerte mindestens eine weitere Minute, bis sie es geschafft hatten, dem System klarzumachen, dass vor Ihnen ein Kunde stand, der ermäßigte Karten haben wolle. Nach insgesamt ca. fünf bis sechs Minuten Bearbeitungszeit konnte ich es kaum glauben, drei Handballkarten in der Hand zu halten.
Am Ende sagte ich nichts, als sie sich verrechnet haben und ich statt 46,20 Euro nur 45 Euro zahlte (es bereite ihnen Schwierigkeiten 14×3 zu rechnen und dann darauf zehn Prozent Vorverkaufsgebühr draufzuschlagen).
Nach mir wartete ein weitere Kunde. Er sagte zu mir, dass er auch Handballkarten kaufen wollte. Ich wünschte ihm viel Erfolg.

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Magdeburg

„Los Jungs. Beeilung! Der Bus kommt in fünf Minuten.“ – „Ach, Scheiße! Was machen wir jetzt mit der Mische?“ – „Na füll um!“ – „Oh, so’n Stress jetzt.“ Ein Weiterer: „Kommt jetzt, geht los!“ Ich war mit Fahrrad da und wollte nicht mehr mit den anderen zu einer weiteren Party. Direkt vor der Königstraße 2 in Ottersleben befindet sich die Bushaltestelle.

Ich war bereits draußen. „Der Bus steht da gerade…“, sagte ich. „Was? Oh, los jetzt!“, rief jemand. Sie fuhren mit dem Bus weiter, während ich mich ärgerte nun noch die drei Kilometer bis nach Hause zu müssen.
Es war dunkel. Die Straßenlaternen warfen nicht mehr als ihren gelben Lichtkegel und an einigen Enden war es ganz und gar dunkel. Meine Fahrradlampe wies mir den Weg bis zur nächsten Laterne.

Am Eichplatz bemerkte ich die ersten Menschen, die es kurz vor zwölf Uhr in der Nacht umher trieb. Sie überquerten die Straße; an der Uhr am Rand des Platzes war – nicht wie sonst üblich – kein Mensch. Nur diese drei Leute mitten auf dem gelben Kopfsteinpflaster. Was mag diese Gestalten wohl um diese Zeit hierherführen? Meine Gedankten schweiften ab. Und plötzlich war es der Wind, die mir ins Ohr blies und meine Aufmerksamkeit für die Details dieser Nachtlandschaft weckte, ansonsten war alles sehr ruhig und nichts bewegte sich. Dort hinter den Häusern war ein Sportplatz, auf dem ich früher einmal Fußball spielte. Mein Rad rollte weiter die Straße hinab. Hinter einigen Fenstern brannte noch Licht und das bunte Geflacker eines Fernsehers durchzuckte den schattigen Raum. Ah, dort stand einmal ein Baumarkt. Mittlerweile hat sich an dieser Stelle eine Einfamilienhaussiedlung entwickelt. Nein, bei diesem Baumart würde heute keiner mehr einkaufen. Auf der anderen Straßenseite stehen die Häuser schon länger. Große Tannen und alte Linden ließen hinter ihrer Dunkelheit einen Garten erahnen. In einem blank polierten Klingenschild blitzte für eine kleine Sekunde das gelbe Licht der Laterne. Kurze Zeit später fühlte man sich enger. Die Gebäude waren nun eine Etage höher und direkt am Gehweg gebaut. Meine Fahrradreifen summten auf der asphaltierten Straße und wurden leiser, als ich abbremste. Die Straße mündete nun in die Hauptstraße und ich musste wieder etwas stärker in die Pedale treten, um in Fahrt zu kommen. Die Enge der vorigen Straße wich nun einem Feld auf der einen Seite. Es waren nicht einmal Wolken am Himmel! Hinten am Horizont sah man die viereckigen Wohnsilos aus einem anderen Stadtteil. Fünf Autos fuhren nun am mir vorbei und an einer Haltestellen saßen die nächsten drei Menschen, denen ich auf meiner Heimfahrt begegnete. Sie hielten Bierflaschen in den Händen und lachten. Der Wind holte mich abermals aus meinen Gedanken zurück. Schon hier! Ich musste nur noch die Straße überqueren und in die Florian-Geyer-Straße einbiegen. Jetzt trat ich richtig in die Pedale und der Wind heulte noch einmal auf.

Als ich schließlich zu Hause ankam wurde er leiser und leiser. Schließlich kam mein Fahrrad zum Stehen. Nur noch das Brummen des Garagentors. Ich war zu Hause.

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Der erste Tag an der Uni

Eine Anekdote zum Sonntag:
Nun kam also der Augenblick, an dem ich mich als Student betiteln durfte. Wahnsinn, nach 13 Jahren Schule nun sowas!

Am Anfang bekam ich wie jeder andere auch diese wunderschöne Informationsmappe unserer Fakultät zugesandt, in der die ersten Termine verzeichnet waren. Meine erste Woche begann irgendwann im Oktober und sie nannte sich fortan „Einführungswoche“. Wir wurden brachialer Weise bereits um 7:30 Uhr eingeführt. Der Dekan der Fakultät hielt eine Ansprache an die Neuen. Ich saß nun im Hörsaal und schaute mich um und entdeckte hier und da das ein oder andere bekannte Gesicht. Das nutzte mir aber wenig, da die bekannten Gesichter zu unbekannt gewesen waren, um bekannt zu sein… Man hatte sich also schon einmal gesehen, aber mehr auch nicht.

Im Anschluss daran – wie sich später herausstellte für Studenten immernoch eine frühe Zeit – fand ein Rundgang über das Campus-Gelände statt, wo die WLOer (Wirtschaftsingenieurwesen und Logistiker) bereits unter sich waren und in vier Gruppen eingeteilt wurden. Ich kannte immernoch keinen Menschen. Aber da in unserer Gruppe nur drei männliche Wesen waren, unterhielt man sich recht angeregt. Schnell stellte ich fest, dass dieser eine von den beiden doch aus Halle kommen müsste. Für einen überzeugten Magdeburger eventuell ein kleines Problem. Doch Statistiken zeigen (nimmt man die der Einwohner heraus), dass Halle immerhin noch „schlechter“ sei, als Magdeburg. Das wissen zwar alle, bloß die paar Hallenser wollen dem keinen Glauben schenken (ich weiß, wovon ich rede, Halle ist wirklich grauselig). Nun freundeten Fabi, Basti (aus der Nähe von Cottbus und von Natur aus daher kein Klassenfeind) und ich uns über alle kulturellen Grenzen hinweg doch irgendwie an…

Im Jahre 1987 beendete mein Vater sein Maschinenbaustudium in Magdeburg. Unter seinen Kollegen war damals auch Hartmut Volkmann aus Auleben (nahe Nordhausen in Thüringen). Auf den in den folgenden Jahren stattfindenden Seminargruppentreffen lernten sich also auch irgendwie die Kinder an. Da ich schon so weit aushole, dürfte nun klar sein, dass sowohl Christian als auch ich wir es für sehr unwahrscheinlich hielten, nun nach 20 Jahren ebenfalls im selben Studiengang zu sein und so gingen wir einfach aneinander vorbei als wir uns das erste Mal sahen – lernten uns im Folgenden aber auch besser kennen.

Zu guter Letzt noch ein nettes Fettnäpfchen. Christian wollte auch neue Bekanntschaften knüpfen und so kam es, dass er am ersten Tag vor einem Jungen mit blondem Haar stand. „Ja und was studierst du so?“, „Woher kommst du?“ und so weiter waren die damals gängigen Fragen. „Und wie heißt du?“, fragte der blonde Junge. „Christian“, antwortete Christian, „und du?“ – „Horst“. Ah, na klar, der war gut, dachte sich Christian und lachte kurz. „Haha, sag mal wirklich“, meinte Christian. Horsts Miene verfinsterte sich und das Gespräch konnte als beendet angesehen werden.

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Durch die Mitte

„Ja, mein Junge, sehr witzig.“ Diese Antwort ist bei vielen Eltern und Erwachsenen nur zu wahrscheinlich der Standard, wenn der kleine Stift aus der Grundschule wieder mit einem neuen Witz nach Hause kommt und man sich fragt, warum die Grundschulwitze niemals witzig sind.

Dieser hier geht so: „Na, welche Hand nimmst du eigentlich, um dir den Hintern abzuwischen“. Je nach Person wäre die Antwort höchstwahrscheinlich die Rechte oder Linke. „Ihhh – hahahahaha“, erwidert der Stift daraufhin, da das erwachsene Opfer endlich in die Falle getappst ist, in der vorher mitunter schon zehn andere gelandet waren (und sich der Stift immernoch köstlichst darüber amüstiert. „Ich nehme immer Klopapier“, kommt dann die Pointe. Als Erwachsener will man dann ja nicht so sein und grinst freundlich und denkt sich, so mein Junge und nun mach dich wieder davon.

Man stelle sich vor ich bin der Junge und mein Opfer heißt Peter*. Ich fragte also diese erwachsende Person und freute mich schon diebisch auf die Antwort Linke Hand oder Rechte Hand. Doch nichts dergleichen passierte. „Weißt du, Konstantin. Ich habe mir doch mal die rechte Hand gebrochen“. Wunderbar, dachte ich mir, was hat das damit zu tun, wie du dir den Hintern abwischst? „Naja, und da war das mit der Linken so komisch. Deswegen mach ich das jetzt nicht so wie die meisten anderen sondern ich nehme das Klopapier und wische dann durch die Mitte ab, nicht von hinten, sondern vielmehr von unten.“

Peter hatte meinen Witz kaputt gemacht. Eine Frechheit! Ich erklärte ihm, was ich eigentlich hören wollte und was nach meinen empirischen Untersuchungen zufolge auch jeder zehnte zu sagen pflegte. Er fand den Witz nicht lustig…

*Name vom Autor geändert.

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Der neue Betrieb

Den alten Geschichten seiner Großväter- und mütter zu lauschen bringt mitunter auch den jungen Leuten ein Lächeln auf die Lippen.
Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, eine weitere Geschichte zum Besten zu geben.

Versetzen wir uns ein paar Jahre zurück, vielleicht so 1980.  Auch schon vor Helmut Kohls prognostizierten blühenden Landschaften, erbauten die DDR-Bürgerinnen und Bürger Fabriken,  Lager und Betriebe. Der Schweiß perlte den Arbeitern und Bauern von der Stirn. Auch der Herr, um den es jetzt geht, war einer von denen. Er fuhr stets mit dem Fahrrad zur Arbeit. Eines Tages fuhr er an einer Baustelle am Universitätsgelände vorbei und wunderte sich.
„Wilfrid“, sagte er, „du, die bauen da schon wieder einen neuen Betrieb. Mensch, der ist riesig groß, aber ich weiß man nicht, ich habe den Namen noch nie gehört. Aber es steht ganz groß MENSA drauf!“

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