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Andreas

Eisenbahnfahren in Russland

  • Category :Reiseberichte
  • Date :10. Juni 2008
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Wenn man sich die Weltkarte einmal ansieht, wird man feststellen, dass wir in Russland über Entfernungen sprechen, die es sonst nirgends auf der Welt gibt. Es ist also völlig normal, dass ein Zug mehrere Tage unterwegs ist.

Das Zentrum der Russischen Eisenbahn (РЖД) ist Moskau, nicht nur verwaltungstechnisch sondern auch verkehrstechnisch. Die meisten Langstreckenzüge haben ihren Anfangs- und Endpunkt an einem der acht Moskauer Fernbahnhöfe. Diese Bahnhöfe liegen bis auf den Rigaer Bahnhof an der Ringlinie der Metro (Braune Linie), was das Umsteigen sehr bequem macht. Die РЖД ist in sieben Regionalbezirke unterteilt und hat etwa 1,1 Mill. Beschäftigte.

Für Regionalverbindungen (bis ca. 500km) gibt es so genannte „Elektrischka“ Züge, sie haben nur Sitzplätze meistens 1. und 2. Klasse, d.h. Polsterung oder Holz, besonders um Moskau und Petersburg herum sind diese Züge im Berufsverkehr sehr stark frequentiert, d.h. überfüllt. In der 1. Klasse gibt es „Video Entertaiment“, d.h. 4 Fernseher (Diagonale ca. 45 cm), die an der Decke befestigt sind, pro Waggon. Es werden meistens sowjetische Klassiker in unglaublich schlechter Qualität gezeigt, wer seine Ruhe haben will, sollte 2. Klasse reisen.

Fernzüge sind grundsätzlich Liegewagen, hier gibt es zwei oder drei Klassen. Die unterste Klasse sind offene Abteile mit 8 Plätzen ( je 3 übereinander und 2 Liegen an der Gangseite), die nächste Klasse ist „купэ“, das sind 4 Liegen in einem geschlossenen Abteil. Die „лукс“ Klasse sind dann 2 Liegen in einem ebenfalls geschlossenen Abteil, diese Klasse ist aber nicht in allen Zügen vorhanden. Die Mehrzahl der sich im Betrieb befindlichen Fernwaggons wurden übrigens bis 1989 in der ehemaligen DDR gebaut (VEB Waggonbau Ammendorf), viele dieser Waggons waren Reparationszahlungen des 2. Weltkrieges. Bei der Auswahl eines Zuges sollte man bei vorhandenen Alternativen immer den mit der kleineren Zugnummer wählen, meine Erfahrung sagt, je kleiner die Zugnummer umso besser ist der Zug (Sauberkeit, Service etc.)

Ich fahre, wenn möglich immer „купэ“, hier trifft man für die lange Reise immer jemanden, mit dem man bei Bedarf reden kann. Neulich traf ich einen jungen Mann der aus Chita kam, er war auch auf dem Weg nach Moskau, er hat stolz berichtet, dass er auf dem Weg nach Ägypten wäre, er wolle dort 1 Woche Urlaub machen. Chita liegt in Sibirien, ca. 7 Tage Zugfahrt von Moskau entfernt, wenn man nun kalkuliert, braucht der Arme 3 Wochen Urlaub, um sich eine Woche zu erholen. Vorige Woche bin ich mit einer jungen Frau und ihrer Tochter gefahren, sie muss 9 Tage nach Wladiwostok fahren, um ihre Tochter über die Sommerferien bei ihren Eltern abzugeben, im August das ganze retour, damit hat sie ihren ganzen Urlaub aufgebraucht. Jetzt kommt natürlich die Frage, warum fliegen diese Leute nicht einfach? Hier die ganz simple Antwort: Fliegen ist mehr als doppelt so teuer.

Bei der РЖД gibt es ein Winter- und ein Sommerregime, d.h. bis zum 01.05. des Jahres ist Winter befohlen, der Sommer endet dann planmäßig am 30.09. , das bedeutet, dass während des Winters die Fenster nicht zu öffnen sind und geheizt wird. Heizen bedeutet, entweder heizen oder nicht heizen, eine Temperaturregelung ist nicht möglich. Es kann passieren, dass der April schon warme Tage hat, was wiederum bedeutet, dass die Temperaturen im Zug erheblich ansteigen können und wenn dann ein Zug eine Woche unterwegs ist, riecht es dann schon mal nach „Mensch“ bei Temperaturen um die 30°C, diese Temperatur ist eigentlich normal. Die Passagiere reagieren auch hier mit Gelassenheit, wenn man im Zug ankommt wird die Kleidung auf „train like“ umgestellt, Badelatschen, kurze Hosen, und T-shirt. Natürlich kann einem im September genau das Gegenteil passieren und man muss bei Außentemperaturen unter Null reisen, dann hilft nur eins: von innen heizen.

Wenn man so lange im Zug lebt, ist es natürlich neben bequemer Kleidung wichtig, die richtige Verpflegung an Bord zu haben. Auch wenn die meisten Züge über Restaurants bzw. Bistros verfügen, ist Selbstversorgung natürlich am weitesten verbreitet. In der Nähe der Bahnhöfe gibt es immer genügend Geschäfte (Магазин oder Продукты) um sich für die Reise einzudecken, auch unterwegs auf den Bahnsteigen kann man frisches Obst und auch frisch Gebackenes für kleines Geld kaufen. Zur Grundausstattung gehört neben Wodka natürlich Brot, Käse, Wurst und Schinken, Obstsäfte und getrocknete Fische und Meeresprodukte. Einen Tee kann man sich natürlich immer von der Tshei-Mutter (Проводница) frisch vom Samowar (Steinkohle befeuert) in einem der traditionellen Teegläser bringen lassen, Kosten ca. 10,00 RUR. Rauchen ist übrigens, Gott sei Dank, in den Zügen verboten, manche Raucher lassen sich davon nicht beeindrucken und rauchen in den Zwischenräumen der Waggons, an den Haltepunkten strömen sie dann außen, mit Badelatschen bei -20°C!

Zu jedem Liegeplatz gehören natürlich die Schlafutensilien, Matratze, Decke und Kopfkissen, frische Bezüge und Laken bekommt man von der Проводница, die Kosten hierfür sind meistens im Fahrpreis enthalten. Das ganze ist für uns etwas gewöhnungsbedürftig, aber recht sauber. Apropos Fahrpreis, bis heute habe ich das Preissystem der РЖД nicht begriffen, auch bei Nachfragen in Reisebüros oder direkt beim РЖД Personal konnte mir nicht geholfen werden, Fakt ist, dass jeder Zug eigene Preise hat, die sich saisonal ändern, für ein Ticket von Moskau nach Jaroslawl bzw. umgekehrt habe ich im Laufe der Jahre zwischen 230,00 und 1.500,00 RUR bezahlt. Wenn man РЖД Tickets in Reisebüros oder Service Centers kauft, muss man noch mit 50,00 bis 150,00 RUR Bearbeitungsgebühr rechnen, aber dafür braucht man nicht anstehen. Am РЖД Schalter im Bahnhof kann man in der Hauptreisezeit (Juni bis August) schon mal 2 bis 3 Stunden stehen.

Stehen kann man auch vor verschlossenen Toilettentüren in den Zügen, die Moskau verlassen. Dort gibt es während der ersten Reisestunde die so genannte „Sanitäre Schutz Zone“, die besagt, dass Toiletten nicht benutzt werden dürfen (die Toiletten entleeren sich direkt nach unten, d.h. auf die Gleise). Man sollte also am Anfang der Reise nicht zuviel Bier trinken oder am Bahnhof noch mal die Toiletten aufsuchen, mit einem Tip von 100,00 bis 200,00 RUR öffnen sich natürlich die Türen, gleiches gilt auch für die Fenster bei Winterbefehl.

Man sollte Fahrkarten immer im voraus kaufen, ein anderes System ist offiziell auch nicht existent, die Fahrkarten sind immer Personengebunden, hin und wieder muss man beim Einsteigen den Pass vorzeigen. Bei akuter Zeitknappheit, ist mir vor Kurzem in Orenburg passiert, kann man mit Geld (hier 3.500,00 RUR) und Verhandlungsgeschick natürlich alles erreichen.

Für ein paar RUR (manchmal auch kostenlos) kann man auch Handy- oder Laptop Akkus aufladen, an Bord gibt es 220 VAC.

An den Tischen in den Abteilen gibt es auch noch eine besondere Leistung der DDR-Neurerbewegung zu bewundern, dort sind fest installierte Flaschenöffner für alle Durstigen, braucht man aber heute nicht mehr, da russische Bierflaschen meistens Drehkronenverschlüsse haben.

Noch ein paar Worte zu den Waschräumen bzw. Toiletten in den Zügen. Wie schon vorher erwähnt, sind die Züge mehrere Tage unterwegs, das kann bedeuten, dass das Wasser knapp werden kann, auch das Klopapier und Seife werden schon mal rar.  Am besten, man hat all so was am Mann/an der Frau.

In manchen Zügen, vor allem in den Vorortzügen der Großstädte, gibt es „fliegende“ Händler, die alles das anbieten, was niemand braucht. Manchmal werden auch Handarbeiten angeboten, die für den einen oder anderen interessant sind, ich habe noch nie etwas von ihnen gekauft.

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2 Comments

  • Konstantin
    10. Juni 2008 • Antworten

    Sehr gut, weiter so 🙂

  • Kai
    12. Juni 2008 • Antworten

    sehr interessant. so ein paar tipps & tricks sollte man eben schon wissen…

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