Neuseeland (der März)
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Der März
Nun, heute, da schon der vierte des Monats ist, habe ich die Notwendigkeit empfunden, wieder einmal wie wild auf die klickenden Buchstaben meines Notebooks einzuhämmern, um der nördlichen Hemisphäre an meinen Tagen teilhaben zu lassen.
Was für heute geplant ist, schreibe ich lieber morgen, da mich Rebecca, Roberta und Nathan eingeladen, mit ihnen irgendwo hin zu fahren, und da mir das Ziel dieses Irgendwohinfahrens gerade entfallen ist, belasse ich es dabei, eine Andeutung auf einen späteren Zeitpunkt zu wählen.
Mit selbiges war ich aber gestern Abend im Toast, einer Bar in Paihia und wir erfreuten uns der instrumentalen und sängerischen Darbietung der Band Kiwitroubadour. Die Bar war relativ leer, was zwar schade war, da die drei wirklich gut waren, aber man brauchte wenigstens nicht so lange anzustehen, um ein Bier zu bekommen. Als ich dieses bestellt habe, wurde mir plötzlich klar, warum man auch als Barkeeper eine dreijährige Ausbildung machen kann (kann man das? Ich hoffe doch, ansonsten stelle ich hier ja völlig sinnlose Tatsachen in den Raum). Es gibt ja Leute in unserem Universum, die benutzen zum Öffnen eines Kronkorkens einen Flaschenöffner. Eine tolle Erfindung, so ein Flaschenöffner, sonst bekäme man den Kronkorken ja schließlich nicht artgerecht auf. Ich gehöre jedoch zu den Menschen dieser Welt, die Kronkorken mit allem öffnen außer Flaschenöffnern. Dieses „Ich bin unkreativ und benutze einen Flaschenöffner“-Klischee gefällt mir nicht, wobei die Vorzüge des Flaschenöffners auf der Hand liegen. Auch die Bedeutung ist mehr als deutlich. Nimmt man ein Feuerzeug, macht man damit Feuer. Feuer. Nicht Flasche. Feuer! Warum benutzen nun Menschen, die kein Feuer machen wollen, ein Feuerzeug? Zum Flaschenöffnen. Demnach wäre es ein Flaschenzeug. Dieses Wort gibt es in ähnlicher Form bereits (Flaschenzug), aber damit kann man auch keine Flaschen öffnen. Also nimmt man eine Gabel. Mit einer Gabel spießt man Dinge auf. Obst, Gemüse, Fleisch oder Mist (im Falle einer Mistgabel). Jedoch lassen sich Flaschen nicht aufspießen und Kronkorken auch nicht. Also muss der Flaschenöffner wieder her. Da man mit einem Flaschenöffner weder Feuer machen, noch Obst, Gemüse, Fleisch oder Mist aufspießen kann, öffnet man mit ihm eine Flasche; einfach clever, dachte sich auch der Barmann und öffnete die Flasche mit dem Flaschenöffner. Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit einem Flaschenöffner die den Kronkorken zu öffnen. Normalerweise nimmt man den Flaschenöffner in eine Hand, öffnet die Flasche und legt den Flaschenöffner dann wieder weg. Dieser Barmann nahm jedoch den Flaschenöffner in die Hand, warf ihn hoch, fing ihn auf, ließ ihn mehrmals um seinen Zeigefinger rotieren, warf ihn wieder hoch, fing ihn hinter dem Rücken auf, wechselte ihn in die andere Hand und plötzlich machte es plopp und die Flasche war offen. Er benutzte nicht die Flaschenöffner-Seite, sondern die gegenüberliegende, die die Form der unteren Seite eines Feuerzeuges oder einer Gabel hat. Da ich nun aber nicht nochmals abschweifen möchte, belasse ich es einfach mal dabei…
Nichtsdestotrotz musste ich fünf Dollar bezahlen und ging dann wieder zu den anderen und lauschte der Musik…
Heute, am 6. März 2007 weiß ich von einer weiteren großartigen Erfindung zu berichten, gestern, am 5. März hat Bob ein paar lustige Bemerkungen gemacht und nun erstmal zurück zum 4. März, an dem ich mit den drei bereits erwähnten und dazu noch Gareth die Kaori-Bäume gesehen habe.
Auch wenn wir es eigentlich gar nicht wollten, kamen wir schließlich doch zufällig nach Kawakawa, dem Ort, an dem Friedenreich Hundertwasser ein Scheißhaus designed hat (und in dessen Nähe er die letzten 20-30 Jahre seines Lebens zugebracht hat). Da dieser Ort nicht besonders groß ist, ist es das außergewöhnliche Klo auch nicht, drei Pinkelbecken und eine Sitzgelegenheit zeugen von wenig Verkehr auf diesem Örtchen (Ich habe mir kein Bild von der Damenabteilung gemacht). Die anderen vier fanden es aber schön, mal auf einem Hundertwasser-WC gewesen zu sein.
Wir setzten unsere planmäßige Route nach Westen dann fort.
Schließlich machten wir eine Pause an einer wunderschönen Bucht oder eher Lagune, die nur einen kleinen Zugang zum Meer hatte und sich weit ins Landesinnere erstreckte. Da wir dort nur saßen und etwas aßen, hat es eigentlich wenig Sinn, jetzt weiter darüber zu berichten. (Rebecca hat mir einen Apfel angeboten, den ich abgelehnt habe, aber ich habe ein paar Salsa-Chips von Rebecca gekostet.)
Ach ja, es gab dort keine Eiscreme, was Rebecca und Roberta überhaupt nicht gefiel und als wir schließlich den größten aller Kaori-Bäume erreichten, gab es dort auch keine Eiscreme (auf dem Rückweg gab es zwar Geschäfte, in denen Eiscreme verkauft wurde, die schlossen aber gerade, also ein Tag ohne Eiscreme…)
Der Baum hat nun also in den letzten 1500 Jahren nichts anderes gemacht als mal so ein bisschen in die Höhe zu schießen und ist mittlerweile etwa 52 Meter groß. Der Stamm ist riesig und erst nach etwa 40 Metern kommt mal so ein etwas größerer Zweig (davor ist nur Stamm, nichts als Stamm!).
Und als wir nun also so vor uns hin staunten, wie groß dieser Baum ist, und dass der erste Zweig erst nach etwa 40 Metern herauswächst, entdeckte Nathan einen Vogel. Das scheint nun nicht weiter verwunderlich zu sein, zumal es ja im Regenwald allerhand Vögel gibt; da es sich dabei jedoch um einen bunten Papagei handelte, wollte ihn jeder sehen. Dumm nur, dass so ein Papagei im Verhältnis zum Kaori ausgesprochen klein ist und sich dieser Papagei nun also ausgerechnet im ersten Zweig des Baumes befand, was uns vielmehr annehmen ließ, dass dieser bunte Fleck im grau-grün des Baumes ein Papagei sein müsste.
Der große Kaori trägt nicht nur zahlreiche Blätter, sondern auch den Namen Tane Mahuta, was übrigens soviel heißt wie Tane Mahuta.
Ein paar Meter weiter gibt es noch eine weitere interessante Konstruktion von Kaori-Bäumen, die als „Four Sisters“ bezeichnet wird. Dort teilen sich sozusagen vier riesige Bäume (riesig, aber dennoch viel kleiner als Tane) eine Wurzel. Es sieht jedenfalls so aus, als täten sie es.
Genug über Bäume! Als wir zurückfuhren, machten wir noch mal bei der Lagune halt, bzw. bei dem Punkt, an dem sie ins Meer fließt oder das Meer in die Lagune. Ich weiß eigentlich nicht mal, ob überhaupt irgendwas fließt, aber jedenfalls ist an diesem Punkt Wasser und zwar sogar ziemlich salziges.
Dies jetzt mit Worten zu beschreiben fällt mir außerordentlich schwer, da ich an dieser Stelle meine bisher schönsten Bilder gemacht habe, auf die ich jetzt mal verweise!
Nur soviel: Die Opononi Bucht ist wunderschön und es ist einfach beeindruckend, wie aus saftigem Grün auf einmal eine große Sanddüne wird und das alles mit der schönen Farbgebung des blauen Meeres.
Im nächsten Ort speisten wir dann zu Abend, und was liegt da für vier Britten näher als Fish’n Chips.
Fish and Chips sind ja gemeinhin als Fisch mit Pommes zu bezeichnen. Und unter Pommes kennen wir nichts anderes als Pommes entweder mit oder ohne Ketchup oder Majo.
Aber wer hätte gedacht, welche verrückten Kombinationen es dabei gibt. Ich aß Kumura-Pommes (Kumura ist eine Art Süßkartoffel, die in Neuseeland sehr populär ist) mit Ketchup und Majo. Rebecca hatte Garlic-Chips (also Knoblauchpommes), Nathan hatte irgendetwas rotes süßes als Dip. Roberta träufelte Essig über ihre Chips und Gareth hatte Pommes süß-sauer.
Die Vielfalt der Fish’n Chips in Neuseeland steht in einem sehr lustigen Verhältnis zum Brot in Deutschland: In Deutschland gibt es Pommes (höchstens mit Ketchup oder Majo), alles andere scheint unüblich, dafür aber hunderte von Brotsorten. Hier, in Neuseeland, gibt es zig verschiedene Arten von Fish’n Chips aber dafür nur Toastbrot…
Und es gibt hunderte toter Opossums am Straßenrand, das nur mal als Einwurf, es entspricht aber dennoch der Wahrheit.
Nun ein ungekonnter Thema- und Tageswechsel auf den 5. März.
Es war Svens letzter Arbeitstag bei Bob und als er Schluss machte, unterhielt er sich noch kurz mit ihm übers Autofahren und Bob vertraute Sven an, dass er nie Claire in ein Auto setzen würde, da er weder das Auto, noch Claire jemals wieder sehen würde. Als später Laila noch hinzukam, bemerkte Bob sehr eindringlich, dass man hier auf der linken Seite fahre und dass man beim Rechtsabbiegen auch wieder in die linke Spur müsse. Er erklärte Laila auch noch, dass man bei einem Stop-Schild (er buchstabierte S-T-O-P) anhalten müsse, wohingegen es in Neuseeland üblich sei, bei über die Straße gehenden Kindern einfach weiterzufahren…
Das Trinkspiel
Gestern Abend waren wir alle ziemlich betrunken. Dafür war es für Sven umso problematischer heute früh um fünf Uhr aus welchen Gründen auch immer aufzustehen. Sven bat mich noch, sicherheitshalber meinen Wecker zu stellen, was ich auch tat und er klingelte sogar um fünf Uhr. Ich wurde wach und das ganze Zimmer mit mir auch. Ich tippte Sven an und gab ihm zu verstehen, dass es um fünf wäre und er doch aufstehen wolle, was er aber nicht tat. Ich ging aufs Klo und hörte von dort, wie Lailas Wecker klingelte, denn er musste sie wohl auch gefragt haben. Als dann einige Sekunden später Svens Wecker (oh, er hats ja doch geschafft ihn zu stellen) klingelte, hörte es sich wie ein kleines Fünfuhrmorgenskonzert an. Das Zimmer war wach, ich wieder im Bett und alle wälzten sich hin und her. Als alle fast schliefen, bimmelte fünf Minuten später wieder Lailas Wecker (sie hatte ihn nicht richtig ausgemacht) und natürlich einige Sekunden später auch Svens Wecker. Wieder waren alle wach, aber keiner beschwerte sich oder sagte etwas, alle rutschten nur wieder in ihren Betten hin und her. Als Sven es endlich schaffte, den Wecker stillzukriegen, lag er aber immer noch im Bett und hatte keine Lust aufzustehen. Vielmehr schlief er fast wieder ein, wie alle im Zimmer. Fünf Minuten später ging Svens Wecker schon wieder los. Wieder alle wach, wieder wälzten sich alle hin und her. Dieses Mal jedoch erregte sich ein Widerstand und ein Mädchen aus einem anderen Bett erhob sich und sagte irgendwelche Bösen Worte zu Sven, die ich jedoch nicht hören konnte, da ich von der wunderbaren Erfindungen der Ohropacks Gebrauch machte.
Sven stand nun doch auf und verließ das Zimmer. Ich schlafe direkt neben der Tür und wie soll es anders sein, Sven kam noch zweimal ins Zimmer und wieder wurde ich wach (wie einige andere übrigens auch). Als Sven endlich weg war, konnte ich nicht mehr einschlafen (aber ich schlief dank der Ohropacks dann von etwa sechs bis elf Uhr durch).
Das waren nun also die Folgen des Spiels in unserem Zimmer. Im Zimmer zwei, gegenüber, in dem Jay, Rebecca, Nathan und Roberta schlafen, passierte auch etwas.
Jay verließ das Spiel und den Tisch etwas eher als die anderen, um zu schlafen. Als die anderen drei dann leise ins Zimmer kamen, Licht ausmachten und sich leise unterhielten, hörten sie auf einmal ein Geräusch, das so klang, als würde jemand aus seinem Bett fallen. Sie knipsten das Licht an und stellten fest, dass Jay tatsächlich aus seinem Bett gefallen war (er schläft unten) und nun hektisch nach seinem Tagebuch kramte. Als er es gefunden hatte, stürmte er wild nach draußen und setzte sich auf eine Bank, auf der ich auch noch saß. Rebecca und Roberta kamen auch noch raus und wir drei versuchten nun Jay davon zu überzeugen, dass er nicht am Strand, sondern viel mehr auf einer Bank im Hostel war. Er holte seine Socken aus einer Tasche und argumentierte, dass er sehr wohl am Strand war, da sie ja nass und sandig seien. Es dauerte etwas, ihn davon zu überzeugen, dass er mit einer trockenen Hose unmöglich im Wasser gewesen sein könnte…
Das Trinkspiel besteht aus mehreren kleinen Regeln, die immer, wenn sie verletzt werden, einen Schluck Wodka (in unserem Fall ein halbes Glas Weißwein) zur Folge haben.
Die wichtigste Regel ist dabei, dass man auf keinem am Tisch mit dem Zeigefinger zeigen darf (Ellenbogen ist erlaubt). Zeigt man doch mal auf jemanden, muss man trinken. Die zweite Regel ist, dass man nur mit der linken Hand trinken darf (egal was, ob nun den Strafbecher oder sein eigenes Bier). Trinkt man mit der rechten, kommt er Strafbecher, trinkt man den Strafbecher auch wieder mit der rechten, wird er noch mal aufgefüllt. Sieht man nun jemanden, der Regel zwei verletzt, möchte man dies natürlich den anderen am Tisch mitteilen und zeigt auf ihn. Tut man das nun also mit dem Zeigefinger, muss derjenige, der gepetzt hat, auch etwas trinken.
Die dritte Regel ähnelt schon eher einem Spiel. Im Laufe des Spiels kann irgendwer seine Hand ans Ohrläppchen nehmen. Dies müssen dann alle machen, aber es muss jedem selbst auffallen, denn demjenigen, dem es zuletzt auffällt, der muss zur Strafe trinken (man kann schon mal fünf Minuten dasitzen mit der Hand am Ohr). Hat man nun endlich den letzten ermittelt, kommt es vor, dass der Initiator der Ohrläppchenaktion wie wild aufspringt und auf den letzten zeigt. Tut er das mit dem Zeigefinger, nun ja, ihr wisst schon. Übrigens sollte man sich das Ohrläppchen mit der rechten Hand festhalten, denn mit der linken muss man trinken, sonst…
Das eigentliche Spiel besteht nun eigentlich aus jeweils zwei Wörtern. Das eine Paar lautet „fuzzy duck“ und das andere Paar ist „ducky fuzz“. Derjenige, der zuletzt zur Strafe getrunken hat, sagt nun also eines der beiden Wörter und gibt eine Richtung vor, in die es weiter gesagt werden soll. Sagt nun jemand „fuzzy duck nach rechts“, müssen alle rechts von ihm nacheinander „fuzzy duck“ sagen und immer weiter, die Runde rum. Sagt nun aber jemand „Does he?“ dreht sich die Runde um und das entgegensetzte Wortpaar muss gesagt werden.
Ein Beispiel: Ich sage „fuzzy duck to my right“, sagt Nathan rechts neben mir „fuzzy duck“, dann wiederum Roberta, die rechts von Nathan sitzt und auch „fuzzy duck“ sagt. Rechts neben Roberta sitzt Sven und der muss nun auch „fuzzy duck“ sagen. Sagt Sven jedoch „Does he?“ (jeder kann „Does he?“ sagen, um die Runde umzudrehen) muss nun Roberta „ducky fuzz“, dann wieder Rebecca, Nathan und ich, bis wieder jemand „Does he?“ sagt, wobei dann wieder aus „ducky fuzz“ „fuzzy duck“ wird. Dass die Runde jedoch nur ganz selten vollendet wird, versteht sich ja wohl von selbst, da immer wieder jemand „fucky duzz“ oder „does he fuck?“ oder „fuzzy fuzz“ oder was auch immer sagt, wobei die Strafe dann darin besteht, den Schluck Wodka zu trinken. Aber nicht mit der rechten Hand, sonst… Dieses Spiel in Kombination mit den ganzen Regeln verleitet zu regelrechtem Alkoholkonsum und kann sehr teuer werden.
So zum Beispiel für Oliver aus England, der auch mitspielte und mit seiner Freundin um 50 Dollar gewettet hat, dass er in Neuseeland nicht einmal betrunken ist. Die beiden waren nun schon ein halbes Jahr hier und fahren übermorgen nach Hause…
Weiterhin erzählte Gareth eine lustige Geschichte über einen Tierversuch. Da ich an deren Authenzität zweifele, erzähle ich sie mal im Konjunktiv. Es soll wohl man einen Menschen gegeben haben, der erforschen wollte, wie sich Affen verhielten, die im freien Fall aus einem Flugzeug geschmissen würden. Der Wissenschaftler hatte wohl einen Fallschirm dabei, den er geöffnet habe. Er ließ dann wohl den Affen los, um bereits Erwähntes zu erforschen. Der Affe soll jedoch am Fallschirm nach oben geklettert sein und dazu geführt haben, dass der Fallschirm in sich zusammen gesackt wäre und nicht nur den Affen, sondern auch den Wissenschaftler in einen freien Fall versetzt haben soll. Der Wissenschaftler wäre an den schweren Folgen des Aufpralls auf die Erde aus mehreren Kilometern Höhe gestorben, sagte Gareth. Ich fragte, was dem Affen passiert sei. „Dead as well“, sagte Gareth.
Der Dachbodenmann
Noch im Februar trafen wir einen Sachsen, der im Folgenden einfach mal nur als der Sachse bezeichnet wird, was ja nicht falsch ist.
Der Sachse ist etwa um die 1,75 Meter groß, hat rote Haare, die hinten zu einem langen Zopf zusammengebunden waren. Als wir in zum ersten Mal sahen, sprossen zahlreiche rote Bartstoppeln aus seinem Gesicht. Seine Kleidung sah abgewetzt aus und machte nicht mehr den neusten Eindruck. Ihn umgab insgesamt eine komische Aura. Wie sich später herausstellte, war die Ursache selbiger seine Füße.
Eines Tages war der Sachse einfach da. Keiner wusste, warum er auf einmal da war und warum ausgerechnet in unserem Hostel.
In Sachsen beendete der Sachse seine Schullaufbahn nach acht Jahren und lernte anschließend einen Beruf als Skulptist (oder wie das heißt) beziehungsweise als Restaurator. Mit dieser unglaublichen Bildung gepaart mit dem Englisch eines konservativen Franzosen, der gerade ein Baguette isst, machte sich der Sachse auf den Weg nach Neuseeland, um nicht nur hier zu arbeiten, sondern gleich zu wohnen und zwar für immer. Das lustige an der Sache ist, dass sich der Sachse gedacht hat, dass um die 500 Bugs (also etwa 270 Euro) zu diesem Vorhaben reichen würden.
Er wohnte nun zunächst einmal in unserem Hostel, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, hätte er nicht auch noch in unserem Zimmer geschlafen.
Es war ein regelrechter Schock, als ich von der Arbeit kam und der Sachse das Bett über mir bezogen hatte.
Der Sachse ging mit der Einstellung durchs Leben, dass man sich oft waschen sollte, aber dass es bei seinen Sachen keinen Sinn macht, da diese ja eh wieder dreckig werden. Diese Einstellung kommt ins Besondere in seiner Aura der Fußgegend zum tragen, da er wahrscheinlich nur ein Paar Socken mithatte und diese nie aus den Schuhen kamen. Da gerade Geruchsmoleküle sehr klein sind, kamen diese sehr wohl aus seinen Schuhen.
Wir alle kennen das Phänomen Schweißfuß. Nun stellen wir uns alle unser schlimmstes Erlebnis mit Fußgeruch vor und multiplizieren, oder besser noch potenzieren, es mit 43,546. Wer diese schwere Aufgabe gelöst hat, kann sich dann in etwa ein Bild von der Aura des Sachsen machen.
Trotz dieser unangenehmen Lebensauffassung (keiner wollte neben ihm sitzen oder gegenüber oder am besten gar nicht am selben Tisch) war der Sachse ein durchaus netter Mensch. Da er ja auch noch Deutsch konnte, war also ein bisschen Konversation möglich (wenn da nicht diese Schuhe und die Socken und das alles wären). Der Sachse hatte jedoch ein Problem; und zwar weder Geld noch Arbeit zu haben.
Es ist gewissermaßen lustig, in der Hoffnung nach Neuseeland zu kommen, hier alte Häuser oder historische Kirchen restaurieren zu können.
Stattdessen suchte sich der Sachse nach etwa zwei Wochen einen Job als Housekeeper in einem Hotel.
In diesen zwei Wochen jedoch stellte der Sachse plötzlich fest, dass Geld im Gegensatz zu seinem Geruch unter dem linken großen Zehnagel nicht unendlich ist. Es war schlicht und einfach alle.
Dies war der Zeitpunkt, an dem Maria die Bühne des Sachsen betrat. Sie ließ ihr Herz erweichen und fühlte eine eigenartige Form Mitleid mit armen, kleinen Sachsen, der Deutschland mit seinen 270 Euro verließ, um die Kirchen Neuseelands zu erobern.
Sie stellte ihm ihr Auto als Schlafplatz zur Verfügung. „In der Not frisst der Teufel fliegen“, sagte der Sachse. Könne schon sein, sagte ich ihm.
Als sich Marias Mitbewohner gegen die Tatsache wandten, ein Schwarzes Loch vom Fußgeruch vor ihrer Haustür schlafen zu haben und sich auch Maria im Auto nicht mehr wohl fühlte, lieh sie ihm Geld. Mittlerweile bereut sie diesen Schritt, aber mit diesem Geld ging der Sachse in ein anderes Hostel, um dort zu nächtigen.
Die Revolte der Zimmermitbewohner ließ nicht lange sich warten und der Hostelchef kontaktierte Maria mit der Bitte, ihm mitzuteilen, dass er entweder seine Füße waschen solle, oder das Hostel verlassen müsse.
Maria hofft sehr, das Geld vom Dachbodenmann zurückzubekommen.
Drei Nächte wie keine anderen
Ich versuchte ja bereits die Problematik der Lautstärke in einem Achtbettzimmer zu beschreiben. Die Lösung lag mit Ohrstöpseln sehr praktisch auf der Hand.
An einem Tag zog jedoch das Monster bei uns ein. Achtung liebe Freunde des Achtbettzimmers, ich rate euch, flüchtet, wenn ihr auf einen Daniel Wilson aus England stoßt, dieser längere lockige Haare und ein paar Tatoos hat. Trinkt dieser dann auch noch jeden Abend eine Flasche Wein und raucht gemütlich ein paar Zigaretten, rate ich euch wirklich, nichts wie weg!
In der ersten Nacht war er alleine. Der tiefen Töne drangen durch seine Nase direkt durch meine Ohrstöpsel und hämmerten aufs Trommelfell. Ohrstöpsel also rausnehmen, nochmals neu ausrichten und wieder rein damit. Immer noch dieses leichte Dröhnen im regelmäßigen Takt. Also dann das Kissen über beiden Ohren. Ahh! Wunderbar, nur noch ein leises Brummen. Die Nacht konnte weitergehen.
Am nächsten Tag sind dann Laila und Sven ausgezogen. Statt ihrer bevölkerten nun zwei weitere ältere Herren das Zimmer.
Es war nachts, drei Uhr vierzehn. Lautes Dröhnen ließ mich aus meinem Tiefschlaf erwecken. Wo waren nur meine Ohrstöpsel? Mist, schon drin! Was nun anstellen, dachte ich. Nach kurzem Überlegen wieder die Kopfkissenmethode, die vorige Nacht noch so wunderbar funktioniert hatte. Dann fing der zweite ältere Mann mit Schnarchen an, dann noch Daniel Wilson. Ich war verzweifelt und ging erstmal pullern, in der Hoffnung, dass es dann hinterher irgendwie besser wäre.
Leiser war es jedenfalls nicht! Also den iPod rausgeholt und Lautstärke soweit aufgedreht, dass das Schnarchen fast verschwunden war. Leider Gottes ergab sich daraus gleich das nächste Problem: Die Musik war zu laut. Was nun, dachte ich. Ich grübelte eine Stunde unter stärksten akustischem Einfluss darüber nach, wie ich nur Ruhe in dieses Zimmer bekommen konnte. Ich stand auf, ging zum lautesten Schnarcher, und zog an seinem Kissen. Er wachte auf und schaute verwirrt im Zimmer umher, entdeckte mich und warf mir böse Blicke zu. Ich erklärte ihm, dass er gerade geschnarcht hatte und dass ich trotz meiner Ohrstöpsel nicht schlafen könne. Ich hatte den Satz noch nicht einmal beendet, da schlief er schon wieder, aber immerhin war er leise!
Nun nur noch zwei. Aber konnte ich das ganze Zimmer aufwecken? Ich überlegte, ob ich die anderen beiden nicht einfach umbringen könnte… Kurzfristig sicherlich die beste Lösung aber langfristig gesehen hätten sich darauf einige Probleme ergeben können. Also zog ich meine Hose, einen Pullover über, nahm mein Kissen und ging erstmal raus zu den Tischen. Dort knallte ich fluchend das Kissen so laut wie man nur ein Kissen irgendwo hinknallen kann auf den Tisch. Es machte ein leises dumpfes Geräusch. Ich gab mich damit zufrieden und versuchte sitzend den Kopf vornüber auf dem Kissen gelehnt weiter zu schlafen. Nach etwa zehn Sekunden merkte ich, dass diese Position einen gewissen Nachteil hatte, denn ich bekam keine Luft mehr. Also legte ich den Kopf seitwärts aufs Kissen. Als ich fast eingeschlafen war, fing mein Nacken an zu schmerzen außerdem fror ich bereits.
Ich wollte noch mal im Zimmer horchen, ob Daniel und Co. vielleicht mal eine Pause machten. Aber ich stand noch nicht mal vor der Tür, da hörte ich schon, dass jeder Versuch darin zu Schlafen zum Scheitern verurteilt ist.
Mir kam die Idee, dass ich auf dem Klo übernachten könne. Ich schloss mich in einer dieser verdammten Kabinen ein und legte das Kissen auf die Klospüle und setzte mich zum Schlafen aus Klo. Diesmal konnte ich meinen Kopf in den Nacken legen, was ich auch prompt tat und sofort fing die Klospülung an, sich in Gang zu setzen. Wütend und der Idee, jetzt jemanden umzubringen immer näher kommend, ging ich 6:15 völlig übermüdet wieder ins Zimmer zurück und komischer Weise fiel ich auch gleich in einen tiefen Schlaf, der erst 8:40 durch meinen Wecker unterbrochen wurde.
Als ich den vier Cleanern diese Geschichte erzählte, tat ich ihnen plötzlich Leid und sie boten mir ein Bett in ihrem Zimmer an (Marie und Phil schliefen gemeinsam in einem Bett, sodass eines frei war). Das war eine wunderbar leise Nacht, nach den Strapazen der vorigen Nächte und nun schreibe ich vor Energie strotzend und munter diese Zeilen und frage mich gerade, ob eine entladene Batterie leichter ist, als eine frisch aufgeladene.
Der letzte Tag
Wohnt man vier Wochen in einem Hostel, sieht man Leute kommen und gehen. Einige bemerkt man nicht einmal, mit anderen wechselt man die üblichen Sätze „Woher kommst du?“, „Wie heißt du?“, „Wie lange bist du schon in Neuseeland und wie lange bleibst du noch?“ Manchmal fragt man dieselbe Person diese Sätze mehrmals, weil man sie so oft benutzt, dass man irgendwann den Überblick verliert, wer eigentlich was macht und warum er zum Teufel noch mal nicht schon lange abgefahren ist.
Es gibt aber auch einige Personen, und es sind wirklich nicht viele, mit denen man mehr Gespräche als nur den üblichen Smalltalk führt. Es sind die Leute, mit denen man lacht, heftig diskutiert, über Gott und die Welt plaudert und die einem kleine Gefallen tun. Manchmal waschen sie deinen Teller oder helfen dir mit ein wenig Olivenöl in der Not. Es sind die Leute, zu denen du dich gesellst, wenn du abends von der Arbeit kommst, deren Email-Adressen du bekommst und wo du ganz genau weißt, wie schade es ist, dass der Kontakt wahrscheinlich nicht lange halten wird.
Man ist nicht direkt traurig, wenn sie weiterreisen, aber ihr letzter Tag ist doch etwas mulmig, wenn es heißt „Wir fahren morgen“.
Heute ist der 11. März 2007 und die letzte Woche war so eine, in der es gleich mehrere letzte Tage gab.
Roberta, Nathan und Gareth waren die ersten, die aufbrachen, um weitere Landschaften, Tiere, Kontinente und Menschen kennen zu lernen. Roberta und Nathan machten sich auf den Weg nach Australien, Gareth ist nur ein paar Kilometer weiter gefahren. An deren letzten Tag, dem 6. März, hatte ich frei und wir fuhren mit der Fähre nach Russell zum Long Beach, einer wunderschönen Bucht mit hohen Wellen und blauem Meerwasser.
Da es eigentlich auch Svens und Lailas letzter Tag sein sollte, machten wir abends noch ein Barbecue. Ein Essen für die Götter. Gegrillter Mais, Rumpsteaks, gegrillte Pilze und frischer Salat und natürlich Bier beziehungsweise Rotwein.
Da ich am nächsten Morgen zum Supermarkt musste, kam dann der Augenblick, an dem es hieß „See ya“, wobei man ganz genau weiß, dass man sie wohl nie wieder sehen würde. Eine Umarmung, ein paar nette Worte und Roberta und Nathan waren aus meinem Alltag verschwunden.
Hätte das Auto nicht gestreikt, wären Sven, Laila und Alice auch am 7. März, einem wunderschönen Tag in Paihia mit Sonnenschein und strahlend blauem Himmel, nach Coromandel aufgebrochen. Deren Abschied verzögerte sich jedoch um zwei Tage. Es war aber kein richtiger Abschied, da ich die drei wohl in einer Woche wieder sehen werde.
Trotzdem eine komische Sache, gerade bei Sven und Laila, da wir uns doch jeden Tag sahen, ein Zimmer bewohnten und uns abends beim Zähneputzen trafen.
An deren letzten Tag liehen wir uns Stacys Volleyball aus und gingen hinunter zum Strand und spielten ein bisschen vor uns her. Dann zerrten wir Laila ins Wasser und waren auf einmal alle pitschenass.
Da auch Natalie (eine Belgierin, die auch bei FourSquare arbeitete) nach drei Monaten ihren letzten Tag in Paihia hatte, gingen wir abends zum Grillen dorthin. Am nächsten Morgen ging ich wieder zum Supermarkt und Laila und Sven fuhren los. Wir sahen uns noch kurz, umarmten einander und wechselten ein paar nette Worte. „Bis bald“, hieß es.
Als ich nachmittags ins Zimmer kam, war niemand da. Sven spielte diesmal nirgends mit seinen Devilsticks. Auf seinem Bett lag auf einmal ein Bikini und der Fußboden war von sämtlichen Sachen befreit. Unter Lailas Bett, wo wochenlang Flipflops und andere Sachen herumlagen, befand sich ein Rucksack, ordentlich zusammen geschnürt, an dessen Seite ein paar Boxershorts heraushingen.
Das ist nicht mehr mein Zimmer, dachte ich, das ist nicht mehr die Vier!
Gestern hatte ich meinen letzten Tag bei Foursquare. Ein ganz normaler Tag, Regale einräumen, Lieferungen ausfahren, die Kasse betreuen. Kurz vor Feierabend, kurz vor Fünf, fragte mich Gay, wie lange ich heute arbeiten würde. Bis um fünf, sagte ich. Sie seufzte.
Um fünf bat ich Bob, meine Referenz zu schreiben, ich machte meine letzte Lieferung und setzte mich noch für weitere ein bis zwei Stunden in sein Büro und erzählte mit Bob und keiner von uns beiden wollte diese Konversation als erster beenden.
Kurz vor um sieben sagte Bob, dass Rugby im Fernsehen käme. Ich sagte, dass ich Hunger hätte. Mit diesen Worten beendeten wir dann doch das Gespräch und Bob händigte mir meine Referenz aus. Ich bedankte mich, er bedankte sich. Dann noch „Auf Wiedersehen, Claire, auf Wiedersehen Gay!“ Eine Umarmung, ein paar nette Worte und es hieß dann wieder „See ya“. „Vielleicht komme ich noch mal nach Paihia“, sagte ich Bob. Er schenkte mir eine Schokolade.
Auf dem Weg zurück vom Supermarkt zum Hostel traf ich Marie (die Sven damals geweckt hatte, als er nach Cape Reinga fuhr), Beccy und Jay. Wir aßen gemeinsam Fish and Chips. Es war mein letzter Tag. Abends grillten wir frischen Fisch, den uns Stacy zubereitete. Einen frischen Salat gab es auch.
Anschließend war ich mit Maria noch im Beachhouse, wir erzählten über Gott und die Welt.
Nachher fahre ich mit Beccy nach Whangarei. Maria will noch vorbeikommen, um „See you“ zu sagen. Dann werde ich mich von Jay, Stacy und Marie verabschieden. Wir werden uns umarmen und ein paar nette Worte wechseln. Ich werde sagen „See ya guys“… Unsere Email-Adressen haben wir schon ausgetauscht.
Als ich vorhin meine Sachen packen wollte, kam ich in mein Zimmer zurück. Es war leer. Kein Mensch darin und nur drei Betten belegt. Eines war meins. Ich packte meinen Rucksack und stopfte alles in ihn hinein, danach zog ich das Bettzeug ab. Ein letzter Schluck aus der fast leeren Wasserflasche, ich warf sie in den überquellenden Mülleimer. Ein paar Tropfen sind ganz sicher noch drin. Mein nächstes Wasser kaufe ich mir schon in Whangarei. Ich schaute mich noch mal um, ob ich alles zusammen hatte. Ich entdeckte den Apfel, der schon seit vier Wochen auf dem Schrank lag.
Ein letzter Blick unter das Bett. Dort lagen in einer Ecke zwei Luftballons und waren nun im Laufe der letzten Wochen eigenartig verschrumpelt. Auf einem stand eine große 21, auf dem anderen „Happy Birthday Sven!“
Das war Paihia…
Whangarei 11.3.2007 bis 13.03.2007
Beccy und ich verließen nun also unsere fast neue Heimat Paihia. Wir warteten keine fünf Minuten und schon saßen wir im Auto von Jon, einem Dänen, der beruflich in Neuseeland unterwegs ist und ein Herz für Backpacker zu haben scheint. Er nahm uns mit bis ins Zentrum von Whangarei, wo wir dann auf Lynnique warteten.
Lynnique ist eine weiße Südafrikanerin, die aufgrund der schlechten Bezahlung in ihrer Heimat nun als Ärztin in einem Krankenhaus in Whangarei arbeitet. Beccy hat uns bei ihr eine kostenlose Nacht besorgt.
Kurze Zeit später fanden wir uns auch schon im Vorort Onehari wieder, in der Lynnique ein Haus gemietet hat und dort residiert. Jawohl, residiert! Ich habe selten ein so schönes Haus gesehen. Es liegt auf einem kleinen Hügel, der einer wunderschönen Bucht zugewandt ist. Schaut man aus dem Fenster, oder besser noch, geht man auf die Terrasse mit Meerblick, sieht man nicht nur wie die zarten Wellen über die Wasseroberfläche kräuseln, sondern in der Ferne in einem blauen Dunst eine größere Bergkette. Hinter dem Haus befindet sich noch ein kleiner Garten. Wunderschön! Die drei Zimmer sind wunderbar aufgeteilt und sehr groß; überall sind große Fenster und lassen die Sonnenstrahlen die Wohnung erhellen (und leider auch jede Menge Insekten rein!).
Lynnique hat immer einen Zwölfstundentag und war abends dementsprechend geknickt, sodass Beccy und ich nur noch mal schnell den Strand entlang gelaufen sind und als wir wieder oben waren, befand sich Lynnique schon im Bett (und da sie am nächsten Morgen schon um acht Uhr im Krankenhaus sein musste, sah ich sie nicht noch einmal wieder).
Im diesem Haus wohnt aber auch noch Marie, die Mutter von vier Kindern (eines davon ist Lynnique), von denen derzeit zwei in Neuseeland und zwei in Südafrika wohnen. Marie schreibt über Diäten für ein Magazin, das in Afrikaans erscheint.
Sie war es auch, die Beccy und mich am nächsten Tag in der Stadt aussetzte und ich mich im Hostel „The Mural“ einquartierte. Beccy hingegen entschied sich, nach Auckland zu fahren, da sie in einigen Tagen weiter nach Chile fliegt.
Ich checkte nun also im Mural ein, ein etwas schäbiger Schuppen, wo auf einem WC kein Klopapier war und auch das Gemälde von Jimi Hendrix an der Wand nichts daran ändern konnte.
In der Dusche wurde mit schwarzer Farbe der Hinweis „Bitte nicht länger als fünf Minuten“ an die Wand gemalt. Das soll mal mir wer verraten, wie das gehen soll, wo doch aus der Dusche so viel Wasser herauskommt wie bei einer Regenrinne bei mittelstarkem Nieselregen.
Ich legte mich noch ein wenig hin und las noch „Bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling. Während des Lesens fiel mir ein, dass nicht nur Hape nicht nur sich selbst finden will, sondern ich schließlich auch ein Auto, deswegen war ich ja hier!
Ich machte mich also wieder auf die Socken und stellte auf einmal fest, dass die Ampeln hier genauso lange rot sind, wie irgendwo anders, und dass mich das auch genauso stört, wie irgendwo anders.
Bevor ich aber ein Auto fand, stolperte ich noch in einen Second-Hand-Buchladen und fand eine Ausgabe von irgendeinem alten Taschenbuch (Auflage von 1975) mit vergilbten Seiten von Erich Dänicken, dem verrückten Alienforscher. Ich kaufte mir dieses Exemplar, denn man weiß ja nie, über welche Erkenntnisse man in seinem Leben noch so stolpern wird.
Ich einen Autohändler nach dem nächsten ab und fand schließlich ein gutes Angebot in einem Auktionshaus: Einen dunkelblauen Honda Inspire. Ich schlief eine Nacht drüber und kaufte dieses Exemplar japanischer Autobaukunst heute (und liebe Autohändler, Versicherungsangestellte und sonstiger sämtlicher Beamter: das ging richtig einfach, Kreditkarte hin, Auto zurück, dann schnell drei Häuser weiter zur Versicherung. Keine Behördengänge, kein Anstehen und alle Leute sind freundlich!)
Da ich das Auto vorher noch habe checken lassen und die Bremsbeläge fast runter sind, ist mein neuer Honda derzeit noch in der Werkstatt und lässt sich reparieren, währenddessen ich hier im „Dickens Inn“ sitze und gemütlich eine Cola schlürfe, Wasserball gucke und nebenbei auf die Tasten meines Laptops einhämmere, um der ganzen Welt mitzuteilen, dass ich im „Dickens Inn“ sitze, gemütlich eine Cola schlürfe und Wasserball gucke.
Während ich hier so sitze, überlege ich weiterhin, welches Business man in Neuseeland aufmachen könnte, um hier den ein oder anderen Dollar zu verdienen.
Pay-TV gibt es schon, einigermaßen gutes Bier auch… Schwarzbrot-Bäckereien vielleicht? Wie viele Schwarzbrote müsste ich verkaufen, um Millionär zu werden, überschlagen zu viele für die paar Kiwis hier.
Ich könnte Ampeln erfinden, die nicht rot werden, sondern pink. Dann würden sich die Leute nicht darüber ärgern, dass rot ist, stattdessen eher darüber, was pink für eine fürchterliche Farbe ist. Während man dann so vor sich hin brodelt, wird es auf einmal grün und man ist ganz schnell wieder zufrieden.
Mir will die zündende Idee einfach noch nicht kommen…
Für heute ist noch geplant, dass ich mich in den Honda setze und irgendwo hinter Auckland wieder aussteige und schlafen lege. Mal gucken, wie weit ich damit komme!
Port Waikato 13.03.07 bis 14.03.07
Port was bitte? Port Waikato ist ein absolut kleines Nest im Süden von Auckland an der Westküste. Hierher zu finden war die reinste Qual. Ich habe mehrere Tankstellen befragt und als es keine Tankstellen mehr gab an beleuchtete Fensterscheiben geklopft.
Während ich diese Zeilen schreibe, fühle ich mich wie in einen Horrorfilm versetzt.
Es wurde langsam dämmrig, als ich mit dem Auto an eine Wegkreuzung kam. Kein Schild, kein Auto, kein Haus. Nur ein Baum, der da so vor sich herumstand. Ich wartete zehn Sekunden und überlegte, welche Richtung ich einschlagen sollte. Ich fuhr nach links.
Während es immer dunkler wurde, zogen böse Gewitterwolken am Horizont auf. Als es schließlich dunkel war, goss es auf einmal wie aus Eimern. Der Regen prasselte auf meine Windschutzscheibe und die Scheibenwischer kamen gar nicht mehr hinterher. Ich fuhr zwanzig Minuten auf einer einsamen Straße und es regnete, die engen Kurven wanden sich um die Berge und es ging ständig bergab, auf das Meer zu.
Kaum Häuser, schon gar keine Autos und von Menschen weit und breit nichts zu sehen. Innerlich stellte ich mich schon darauf ein, die Nacht im Auto zu verbringen. Doch dann plötzlich ein Licht ein paar Meter die Straße runter. Ein Haus direkt am Meer (wo kam das Meer denn plötzlich her?) und ein alter Mann saß an seinem Schreibtisch und arbeitete. Ich stieg aus dem Wagen, während im Haus ein Hund anfing zu bellen. Der Mann öffnete die Tür und deutete auf die Richtung nach Port Waikato. Ich war richtig, nur noch zwei Kilometer.
Als ich wieder ins Auto stieg, war ich vom Regen völlig durchnässt. Ich fuhr in den Ort hinein. Meine Scheibe war beschlagen, sodass ich fast nichts sehen konnte. Ich fragte wieder an einem Fenster, wo lang es denn ginge. „Erste rechts, dann gleich wieder links“, brüllte der Mann gegen den starken Wind an. Ich rannte zurück ins Auto, startete den Motor und fuhr die erste links, dann rechts. Ich sah fast gar nichts und ein Backpacker schon gar nicht.
Wieder stieg ich aus und sprang über Pfützen zu einem beleuchteten Wohnzimmer, in dem eine alte Maori-Frau gerade Solitär auf ihrem Laptop spielte. Auf dem Hof kläfften Hunde. Die Frau deutete den Weg an, ich war fast davor. Als ich wieder zum Auto sprang, kam ich sehr nah an einer Hundhütte vorbei, die mir gar nicht aufgefallen war. Ein Hund an einer Kette kam herausgesprungen und biss knapp neben mir in die Luft. Glück gehabt!
Endlich erreichte ich das Backpacker. Im Büro saßen eine Frau und ein kleiner Junge, der gerade eine Zeichnung anfertigte.
Der Junge hatte rote Haare und Sommersprossen im Gesicht und irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Er schaute hoch und seine blauen Augen trafen sich kurz mit meinen, ich redete jedoch mit der Frau weiter. „Das Hostel ist ausgebucht“, sagte die Frau, aber du kannst im Surfer-Haus gegenüber schlafen. Ich stimmte zu.
Der Junge erhob sich von seinem Stuhl und pfiff einmal laut. Wieder kam ein Hund angerannt, diesmal aber nicht bellend. Er leinte ihn an und lachte mich an, während er mit einer Stimme, die klang, als würde er eine leere Konservendose vor seinem Mund haben, sagte, dass dies sein Hund Daisy sei. Seine Segelohren standen stark vom Kopf ab und sein ganzer Körper wirkte zu klein, die Proportionen stimmten nicht. Er ging mit der Frau hinüber zum Surferhaus. Ich sah ihre Schatten im dunklen Regen verschwinden.
Als ich mit meinem Auto die Einfahrt zum Haus hochfuhr, warteten sie schon auf mich. Der Junge versuchte den Hund anzuleinen, schaffte es aber nicht, seine blauen Augen funkelten böse.
Seine Mutter erzählte mir, dass dies das Surferhaus sei und ich in diesem ganz alleine wäre. Ganz alleine in einem Haus mit vier oder fünf Zimmern. Ich schlafe in einem Ehebett. Es gibt einen Fernseher und ein Radio. Die Wände sind weiß und wirken dadurch sehr steril. Draußen spielt der Wind mit der kleinen Wäscheleine, die immer im gleichen Takt gegen die Hauswand schlägt.
Als die Frau losgeht, hat es der Junge immer noch nicht geschafft, den Hund anzubinden. Er gibt es auf und trottet hinter seiner Mutter hinterher und schlägt mit der Leine auf den Rücken seines Hundes, welcher dann gleich Sitz macht. Als ich mich noch mal umdrehe, waren die beiden schon weg und ich sitze nun alleine hier. Draußen prasselt der Regen aufs Dach und der Wind pfeift um die Ecken des Hauses, das so hellhörig wie ein Dixi-Klo ist.
Ich gucke auf mein Handy, um nach der Uhr zu schauen und stelle fest, dass es hier draußen keinen Empfang gibt.
Es hat mittlerweile aufgehört zu regnen, der Wind peitscht aber nach wie vor durch die kleinsten Kanten und erzeugt draußen die merkwürdigsten Laute. Ich habe keinen, dem ich das erzählen kann, so schreibe ich es nieder, in der Hoffnung, es je jemanden erzählen zu können.
Heute Nacht träumte ich von blauen Augen, die mir beim Schlafen zugeschaut haben.
Als ich meine Sachen ins Auto bringen will, bemerke ich, dass die Haustür offen ist, dabei bin ich mir sicher, sie abgeschlossen zu haben…
Waitomo Caves 14.03.07 bis 15.03.07
Wieder regnet es wie aus Eimern, dazu ein unangenehmer Sturm, der Äste von den Bäumen reißt und den Regen durchpeitscht.
Ich machte heute einen Stopp in Otorohanga, um das Kiwi-Haus zu besichtigen. Dort soll es die berühmten Vögel geben. Als ich dann so an den Käfigen vorbei lief, bekam ich schlechte Laune. Ja, die Vögel sind eingesperrt und haben nur wenig Platz, aber es regnete und ich rannte da draußen mit einem T-Shirt rum. Mir war kalt und Kiwis sah ich auch keine, dafür aber jede Menge Arten verschiedenster Enten. Je länger ich mir die Enten dann anguckte, umso größer wurde mein Hunger. Schlechter konnte meine Laune nicht werden. Ich wollte mir keine Vögel mehr angucken, ich wollte sie essen!
Außerdem sah ich nur einen einzigen Kiwi-Vogel hinter einer Glasscheibe (ein besonders kleiner Käfig) im Laub nach Essbarem picken.
Ich checkte dann in meinem heutigen Hostel ein und wollte noch die Waioma Caves besichtigen, die auch Glühwürmchenhöhlen heißen.
Waioma heißt übrigens Loch im Berg, in das Regenwasser eindringt. Es ist schon beeindruckend, wie die Maori mit ihrer Sprache die Dinge auf den Punkt bringen.
Dort angekommen, kaufte ich mir ein Ticket und wollte rein, doch dann erzählte mir ein Mitarbeiter, dass das aufgrund des Regens und Sturmes heute unmöglich sei, da auf dem Weg zu der Höhle schon der ein oder andere Ast abgebrochen ist. Na schön, also morgen noch ein Versuch!
Egmont Village 15.03.07 bis 16.03.07
Dies ist mein bisher höchster Tagebucheintrag. Ich stehe auf einem Parkplatz in etwa 1400 Metern Höhe auf dem Mt. Taranaki. Wie ich hierher gekommen bin, kann ab der nächsten Zeile gelesen werden…
Wie angekündigt startete ich morgens um 9:30 Uhr zu den Waitomo Caves, nicht ohne vorher aber noch Josh gesehen zu haben, dem ehemaligen Mitbewohner aus Marias Haus. Ja, so ist das hier mit den Zufällen. Herr Kapeling, das mit den Zufällen ist nicht auf den Jakobsweg beschränkt! Das musste jetzt mal gesagt werden (wer nicht weiß, was ich gerade meinte, müsste dann mal Nachsitzen und Hape Kerkeling „Ich bin dann mal weg“ lesen oder es ganz einfach sein lassen).
Während es am letzten Vormittag noch drei andere Besucher waren, die mit in die Höhle gekommen wären, habe ich an diesem Morgen bei zwanzig aufgehört zu zählen. Hat der Lonely Planet Recht gehabt mit dem Hinweis „meiden Sie die Touren um 9:30 und 16:30 Uhr“. Aber was sollte ich machen? Ich wollte ja schließlich noch nach New Plymouth.
Unser Führer entpuppte sich dann als eine Abstämmige von dem Maori, der mit einem Engländer gemeinsam um 1880 die Höhle erforschte. Na so was, man könnte fast von Zufall reden. Noch zufälliger scheint da zu sein, dass fast jeder Höhlenmitarbeiter von dem Häuptling abstammt.
Die Frau war dann aber auch lustig zu Gange am frühen Morgen. Liebevoll erzählte sie die Witze, die sie wahrscheinlich schon bei der 9:00 Uhr Tour zum Besten gebracht hatte. Ich ließ es über mich ergehen, denn schließlich wollte ich ja noch die Glühwürmchen sehen.
Wie sich herausstellte sind Glühwürmchen keineswegs diese süßen, kleinen Tierchen, die in Disney-Filmen immer durch die Gegen schwirren.
In Wirklichkeit handelt es sich bei ihnen um kleine, spinnenartige Monster, die in dunklen Höhlen wohnen und Fallen spinnen, um ihre Beute zu verspeisen. Nur sieht man im Dunkeln eben nur den grünen Schimmer. Eigentlich müssten sie Glühwürmer heißen, denn mit Würmern assoziieren wir viel mehr den Ekel, der uns bei Regenwürmern und Bandwürmern den Schauer über den Rücken laufen lässt.
Ehe ich so über die Glühwürmer nachdachte, war ich zwei Stunden später plötzlich in New Plymouth und logierte im Hostel von Brian.
Als ich laut „hello“ rief, kam Brian auf einmal um die Ecke und stand vor mir. Einen halben Kopf kleiner als ich, graue Haare und einen Vollbart. Er grinste mich an. Er fragte mich, ob ich eine BBH-Karte hätte, worauf ich mit „yes Brian“ antwortete. Sehen wollte er sie nicht. Dann zeigt er nur flüchtig in die Richtung der Duschen und sagte mir, dass ich mir ein Zimmer aussuchen könnte. Ich bezahlte meine 16 Dollar um gab ihm 21, um nicht soviel Kleingeld dabei zu haben. Brian verschwand daraufhin für fünf Minuten. Ich guckte mich ein bisschen um und entdeckte einen Schrank voll mit National Geographic Magazinen, das älteste von 1939. Dann entdeckte ich noch ein Zettel, auf dem stand „Wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstielzchen heiß. Für Brian, von Christian“. Brian tauchte kurz danach wieder auf und grinste mich verlegen an. „Sorry Dude“, sagte er und gab mir fünf Eindollarmünzen zurück. „So, you are Rumpelstielzchen, then?“, fragte ich ihn. Er grinste wieder breit über beide Backen und zeigte mir seinen Bart, den er zusammen geflochten hinten im Nacken mit seiner Kopfbehaarung verknotet hatte. Er deutete auf seinen Bauchnabel und gab mir zu verstehen, dass er einen sehr, sehr langen Bart habe.
Im Hostel machte ich dann Bekanntschaft mit Ulrich aus Niederbayern und Anna und Seb aus Leipzig.
Ich habe selten so humorlose Menschen gesehen, aber es waren fast die einzigen, die diese Nacht bei Brian schliefen.
Uli ist Schreiner und Seb arbeitete im Baumarkt, also fachsimpelten sie erst einmal über Werkzeug. Ich hörte aufmerksam zu, da hier meine Passion für Akkuschrauber und Markenhämmer neu erweckt wurde.
Nachdem beide nicht mehr wussten, wo du Vor- und Nachteile zwischen Bosch und Black&Decker sind, begann Seb ein Heftchen heraus zu holen und führte Buch über seine Finanzen.
Wie deprimierend das sein muss! Jeder kleinste Cent, der irgendwo flöten gegangen ist, wird nun im Geiste nochmals ausgegeben. Ich schaue gewöhnlich in meine Brieftasche und stelle fest, dass das Geld alle ist, ich also neues brauche, stelle ich es nicht fest, umso besser.
Scheinbar war das in der Tat sehr deprimierend, denn nun kauten die drei (Anna beteiligte sich diesmal) an den Unterschieden zwischen Deutschland und Neuseeland aus. Während sie so sprachen, brachte ich ab und zu mal eine Floskel und überlegte, ob wir Deutschen wirklich so ein schlimmes Volk sind: Total unhöflich, unspontan, unrelaxt und einfach viel zu strikt, durchgeplant undsoweiterundsofort. Ich stellte dabei fest, dass ich dann doch viel neuseeländischer als deutsch bin.
Ich ging ins Bett.
Nach dem Aufstehen fuhr ich nochmals nach New Plymouth, kaufte noch dieses und jenes und fuhr dann auf den Mt. Taranaki.
Hier sagt man „sieht man den Taranki, wird es bald regnen, sieht man ihn nicht, regnet es bereits“.
Ich habe Glück, es nieselt nur leicht. Ich entschließe mich, die Dawson Falls anzugucken und ein bisschen rumzuwandern. Es hat mir sogar Spaß gemacht, da ich die letzten Tage viel zu faul war.
Wenn das jetzt meine liebe Mama liest, denkt sie sich bestimmt, dass wir dann, wenn ich zurück bin, mal in den Harz fahren können. Dies lehne ich an dieser Stelle jedoch strikt ab!
Der Weg durch den Urwald war recht steinig und die Wurzeln waren glitschig, als wären sie mit Öl bekippt worden, es war aber nur Wasser. Um den Pfad herum war alles voll mit Moos und was nicht voll mit Moos war, wird sicherlich bald voll mit Moos sein. Ich wanderte dann so vor mich hin, machte ein paar Bilder und stieg wieder ins Auto, um den bisher höchsten Reisebericht zu schreiben.
Wanganui 16.03.07 bis 17.03.07
Weiter ging es dann nach Wanganui. Dort angekommen entdeckte ich zwei Schweizer, die ebenfalls in meinem Zimmer nächtigten, oder ich in ihrem oder wir in einem. Der eine hieß Simon, der andere Man oder Män oder Men oder wie auch immer. Ein, wie er sagte, romanischer Name. Man hörte Schweizer Hip und hatte lange lockige Haare, die wie eine lockige Perücke auf seinem Haupt saß. Simon und Man erzählten viel und ich verstand wenig. Der Schweizer Dialekt ist wirklich nicht sonderlich einfach. Xi heißt zum Beispiel gewesen. Simon und Man hatten einen Sprachkurs in Christchurch besucht und dort offensichtlich ein paar Slangwörter gelernt, die sie dauernd zum Besten gaben. Wenn einer sagte „Sweetass“ (was hier so viel wie okay heißt), antwortete der andere „yeah, sweetass, man!“. War lustig, da sie eigentlich die Hälfte ihrer Worte einsparen hätten können, wenn sie sich nicht gegenseitig wiederholt hätten.
Das war dann auch der Abend (wir holten Weißwein und Bier), an dem ich zum ersten Mal in meinem Leben Geburtstag mit Schweizern feierte.
An selbigem machte ich mich dann ohne große Umschweife auf den Weg nach Wellington…
Wellington 17.03.07 bis 20.03.07
Wäre ich ein Magnet, könnte ich diesen Reisebericht heute nicht weiter schreiben. Wir Menschen behaupten im Normalfall, Magnete können nicht schreiben, schon gar keine Reiseberichte, und jeder, der das Gegenteil behauptet, wird gerne verständnislos angeschaut. Aber darum geht es jetzt gar nicht, denn wäre ich ein reiseberichteschreibender Magnet, würde ich jetzt gerade an einer Wand kleben.
In Wellington traf ich dann wieder auf Alice, Jaqueline, Katha, Laila und Sven. Wir fahren mit der Fähre nach Picton, auf die Südinsel. Um mich herum ist dermaßen viel Stahl, dass wirklich jeder Magnet schlechte Karten hätte, aber da Magneten auch keine Karten spielen können…
Am 17.03. war also ein besonderer Tag. Auf der ganzen Welt feierte man St. Patricks Day und speziell in Wellington zwei Geburtstage. Den von Alice und meinen ebenfalls. Bevor wir jedoch feierten erkundeten Jaque, Katha, Laila und ich erstmal die an diesem Tag verregnete Innenstadt Wellingtons (Sven und Alice steckten noch im Bus).
Man möge es sich vorstellen, dass ich, als einziges maskulines Wesen mit drei Frauen durch die Fußgängerzone Wellingtons stiefelte.
Es war eigentlich sogar ganz lustig. Wir vier gingen in einen kleinen Laden, in dem es viele verschiedene Dinge gibt, sodass es für den Laden selbst eigentlich gar keine Bezeichnung gibt. Es war in der Tat sogar der erste Laden, den ich sah, in dem man einen Pizzaschneider und eine Brille mit 2,5 Dioptrien kaufen konnte. Eine unglaublich neue Erfahrung für mich, zumal es noch andere Dinge, wie zum Beispiel Taschentücher oder Puschel gab. Es liegt jetzt nahe, zu vermuten, es handele sich hierbei um einen Supermarkt. Doch etwas Essbares gab es definitiv nicht!
Wir schlenderten weiter, ich stöpselte meine Musik ins Ohr und ließ die drei durch die Geschäfte wildern. Scheinbar tat ich ihnen Leid, denn es ging meist erstaunlich schnell und sie kauften sich nichts.
Am Abend war es dann soweit. Ich bekam ein Brotmesser. Ein echtes Brotmesser, mit dem bisher Kuchen und Gurken geschnitten wurden, aber noch kein Brot. Alice bekam Ohrringe.
Die vier anderen gaben sich viel Mühe, bliesen Luftballons auf und dekorierten einen kleinen Tisch mit Tröten und Partyhauben.
Nach der Bescherung gingen wir dann abends weg, tranken unter anderen Guiness und kamen dann irgendwann wieder…
Da es jetzt hier droht, eine bloße Aneinanderreihung von Geschehnissen zu werden, sei es mir erlaubt zu sagen, dass Neuseeland ein sehr schönes Land mit vielen netten Leuten ist.
Weiter geht’s als mit den Aneinanderreihungen. Am nächsten Tag liefen wir weiter durch Wellintons Innenstadt und kamen dann mal so am Hafen vorbei, am Ball, der in der Luft zu hängen schien, dann noch hier und dort, schließlich fuhren wir mit dem Cablecar einen Berg hoch und befanden uns schon im Botanischen Garten. Danach noch schnell das Beehive und Parlamentsgebäude fotografiert (beides Regierungsgebäude) und schon waren wir wieder im Hostel.
So schnell geht also ein Tag in Neuseeland vorbei. Nun, da schon der 18. März 2007 ist, ich bereits sechs Wochen hier verweile, muss ich feststellen, dass die Zeit stillzustehen scheint, währenddessen die Tage in einem enormen Tempo weiter ihren Weg durch den Kalender bahnen.
Ich möchte nun nicht alle Einzelheiten des Tagesablaufes beschreiben (ich kann mich ehrlich gesagt kaum noch daran erinnern, heute ist in Wirklichkeit schon der 21. März, ich war faul und hab kaum geschrieben…), aber einen Tag später verweilten Sven und ich Te Papa Museum (geschlagene fünf Stunden, unbedingt hingehen, wenn man in Wellington ist)
Nun zurück zu den Magneten. Diese Worte schreibend verweilten wir gerade auf der Fähre von Wellington nach Picton (Südinsel) und Sven hat mich gefragt, ob wir einen Tee trinken wollen, ich sagte ja, machte mein Notebook aus und weil die Sonne so schön schien, kommt die Auflösung jetzt erst. Ich bitte um Entschuldigung für Verwirrungen im Hirn des Lesers. Aber Magneten sind wirklich sehr nützlich… Und nun schon wieder, er guckt mir über die Schulter. Ich sage ihm, dass ich so nicht arbeiten kann, dass wäre ja schließlich genauso, als würde mir jemand beim Pinkeln zugucken!
Übrigens fällt mir doch gerade ein, dass Katha und ich in Wellington einen Strafzettel wegen Falschparken bekommen haben. Da stellt man sich das mal vor. Wir parken auf einem Parkplatz, von einer Ladezone weit und breit nichts zu sehen. Alles ordnungsgemäß – scheinbar!
Denn am Montagmorgen um 9:37 Uhr haben diverse Politessen in Wellington nichts anderes zu tun, als uns einen 40 Dollar teuren Zettel hinter den Scheibenwischer zu stecken. Ich hasse teure Zettel und Politessen hasse ich nun auch. Direkt hinter dem Zettel war unser eingelöster Parkschein. Als ich telefonierte und fragte, was wir falsch machten, stellte sich heraus, dass wir sage und schreibe etwa 20 Meter weiter hätten parken müssen. Da fährt man 600 Kilometer von Whangarei nach Wellington um dann hätte z-w-a-n-z-i-g Meter weiter fahren müssen.
Nelson 20.03.07-25.03.07
Ach, was bin ich doch faul in letzter Zeit. Heute ist nun schon April und ich schreibe immer noch an meiner Märzausgabe. Nun ja, ich werde die Ereignisse der letzten zwei Wochen sehr gerafft zusammenfassen.
In Nelson bewohnten wir das Paradiso, das im Sinne eines Hostels seinem Namen alle Ehre machte, denn im Preis inbegriffen waren neben den gewohnten Exklusivitäten wie warmen Wasser diesmal sogar ein Whir- und Swimmingpool, ein Beachvolleyballfeld und, man möge es kaum glauben, sogar Leselampen an den Betten. Welch revolutionäre Errungenschaft an einem Hostelbett Leselampen zu befestigen und nicht allzu großen Wert auf die Zentralbeleuchtung zu geben. Wunderbar!
Außerdem gab es jeden Tag noch ein kostenloses Frühstück (Cornflakes, Marmelade usw.) und abends eine Suppe.
Als Sven und ich eines Tages in Nelson durch die Straßen wanderten, plauderte Sven auf einmal mit einem Kanadier, den wir bereits an unserem dritten Tag in Auckland getroffen hatten. Er sagte, dass er neben seinem Job in einem kleinen Saftladen (ein Laden, der Saft verkauft!) auch als Pfleger in einem Krankenhaus arbeitet. Keine fünf Minuten später schreie ich „Hello Andrea, how are you doing?“ Andrea trafen wir bereits in Paihia. Genau wie Robert aus Irland, der auch bei FourSquare arbeitete (und dort entlassen wurde, weil er manchmal keine Lust zum Arbeiten hatte) und der in unserem Hostel schlief.
Da wir nun schon mal in Nelson waren und der Abel Tasman Nationalpark nur ein Stündchen von unserem „Paradies“ entfernt ist, buchten wir nun also auch prompt einen Kajak-Trip für drei Tage (bzw. wie die Mädels nur für zwei Tage).
Oh, man verzeihe mir an dieser Stelle eine Abschweifung, aber wer kann schon von sich behaupten, einen Reisebericht in Neuseeland zu schreiben, während ein Insekt auf dem Laptop-Bildschirm landet. Viele! Aber ich möchte behaupten, dass die wenigstens zuvor ein komplett weißes Insekt auf ihrem Bildschirm hatten. Einfach unglaublich – komplett weiß mit sechs Beinen und Fühlern und überhaupt wie ein normales weißes Insekt; es hinterlässt sogar eine ganz normale Spur, wenn man es zerdrückt…
Zurück zum Nationalpark. Wir paddelten also. Zusammengefasst hat es sich sehr gelohnt! Das Meer war bis auf einige Ausnahmen sehr gütig zu uns (wie auch die Sonne, denn sie schien ununterbrochen, nur nachts nicht…). Eine Ausnahme bestand in der sogenannten „Mad Mile“, wo das Land besonders tief ins Meer hineinreicht und der von der See kommende Wind etwas größere Wellen an Land schickt. Ich wurde nass, meine Augen tränten vom Salz und Wind und ich wollte nicht mehr weiterpaddeln.
Nach einer kurzen Diskussion mit Sven kamen wir zu dem Entschluss, welch enorme Vorteile es mit sich bringe, würden wir noch bis zum Zeltplatz paddeln. Litze und Jaque, die gemeinsam ein Kajak benutzten waren bereits seit zwei Stunden am Zeltplatz und hatten ihr Zelt aufgebaut. Kurz hinter der Mad Mile trafen Sven und ich das Kajak mit Katha und Laila drin. Die beiden waren trocken. Wir wunderten uns, wie sie das geschafft hatten, währenddessen die beiden sich wunderten, dass wir so nass sind.
Wir bauten dann also auch unser Zelt auf und schliefen pünktlich um 21:00 Uhr ein.
Am nächsten Tag trennten sich unsere Wege, Sven und ich paddelten gemütlich weiter Richtung Norden und hatten nur eine kurze Etappe vor uns (von etwa 4 Kilometern, deutlich weniger als am Vortag mit seinen etwa 9 Kilometern).
Was die anderen vier taten konnten wir nur ahnen. Wir stellten es uns in etwa so vor, dass sie unter enormen Zeitdruck wie wild die Paddel ins Wasser stachen, um ihr gelbes Wasserdingsbums so schnell wie möglich zum verabredeten Punkt zu bringen, natürlich am Ende völlig platt und keuchend.
Sven und ich paddelten also ganz gemütlich die Küste entlang, machten hier und dort eine Pause und guckten aufs Meer hinaus (Sven angelte und guckte aufs Meer hinaus, ich angelte nicht, guckte aber trotzdem aufs Meer hinaus).
Wir sahen während des gesamten Trips auch einige Tierchen. Sämtliche Insekten und Vögel, deren Art ich nicht im Stande bin zu bestimmen, lasse ich mal außen vor und beschränke mich auf die Highlights.
Während wir also so vor uns hin paddelten, glitten auf einmal zwei riesige Stachelrochen nur wenige Zentimeter unter unserem Boot hindurch. Von einem Zeltplatz aus sahen wir an einem Morgen auch einige Delfine, wie sie aus dem glatten Meer heraussprangen und die einzigen großen Wellen erzeugten. Die Sonne stand noch ganz tief über dem Horizont, sodass man eigentlich nur fast die Silhouetten erkennen konnte. An einem Abend lief mir auch ein lebendiges Oppossum über den Weg. Als letztes Highlight waren dann natürlich noch Hunderte von Seerobben, die faul auf ihren Felsen lagen und dazu noch viele kleine Baby-Seerobben, die wiederum aufgeregt in kleinen Buchten hin und her schwammen und teilweise durch ihre Neugier angetrieben das Boot beschnupperten uns sich teilweise auch für einen Augenblick berühren ließen.
Zuletzt sahen wir dann noch in einiger Entfernung zum Ufer einen Igel seine Bahn im Ozean drehen. Er hatte eine sehr bequeme Position eingenommen, er lag auf dem Rücken, die Beinchen in die Luft gespreizt und ließ sich von der Strömung treiben.
Am Tag unserer Rückkehr kehrten wir zurück nach Nelson. Dort verbrachten wir eine weitere Nacht.
Sven und ich aßen erst einmal deftig bei McDonald’s, übrigens nach drei Tagen Kajakfahren mit spärlicher Planung eine äußerst gute Idee!
Als wir im Hostel ankamen saßen wir dann wieder alle gemeinsam an einem Tisch (auch wenn wir in dieser Nacht nicht alle in einem Zimmer schliefen). Dbie Mädels erzählten uns dann, sie hätten einen neuen Job gefunden, der allerdings in Blenheim wäre. Sie müssten dort Weintrauben ernten.
Daraufhin entschlossen sich Laila und ich das Meer zu suchen. Dies sollte sich in einer Küstenstadt wie Nelson eigentlich als nicht zu schwierig gestalten, aber es war dunkel, ein paar Wolken bedeckten den hellen Mond und wir wussten nur ungefähr, wohin wir zu gehen hatten.
Was wir fanden war eine große Wiese, wir fanden einen Pfad, eine Straße und ein Fahrradweg. Wir fanden außerdem noch eine Bahnschiene und ein Gebüsch. Das Meer fanden wir nicht. Doch wir fanden uns!
Collingwood 26.03.2007 – 28.03.2007
Auf den Weg nach Collingwood machten sich nur noch Sven und ich. Jaque war schon auf dem Heimweg (jaja, wieder ein Abschied, aber wir sagten uns, wir müssten uns unbedingt mal in Hamburg treffen) und die anderen bekanntlich in Blenheim.
Collingwood hat gewisse Vorteile, zum Beispiel die schöne Landschaft, in die es gebettet ist oder den leckeren Schokoladenkuchen aus dem einzigen Café des Ortes (Collingwood liegt in der Golden Bay und hat ziemlich klein, um die 500 Einwohner, hat aber immerhin ein Museum!) oder die Tropfsteinhöhlen, durch die man außerhalb der Saison sogar alleine geführt werden kann. Gleich um die Ecke ist dann noch Cape Farewell, der nördlichste Punkt der Südinsel und Whaikata Beach. Dieser Strand ist einfach traumhaft. Gespannt muss man etwa zwanzig Minuten dorthin laufen, voller Erwartungen auf den ersten Blick auf die weißen Dünen.
Dann, nach einem Hügel sieht man sie, wie sie zwischen den großen Felsen an beiden Enden liegen, ganz so, als würde ein weißes Leinentuch über die Erde gespannt sein. Durch den ständigen Wind ist der Boden ganz geriffelt und wirkt wie ein weißes Meer direkt vor dem blauen Ozean dahinter. Der Sand ist weich wie Watte und dennoch trittfest zugleich. Die Felsformationen zeigen die Jahrtausende der Erosion mit ihren skurrilen Verformungen an den Vorsprüngen.
Je näher man sich dann dem Meer nährt, umso härter wird der Sand und auch nasser. Denn die Flut spült sich weit in die Dünen hinein und hinterlässt meterweit eine absolut glatte Oberfläche. Dort funkeln die letzten Wassertropfen im Glanz der Sonne. Und selbst bei leichtem Wellengang dringen sie doch noch weit in den Strand hinein, so flach verschmelzen Land und Meer, bis sich die Dünen anschließen.
Auf einigen Felsen, die dem weißen Sandstrand vorgelagert sind, wohnen wieder ein paar Seerobben, die sich faul in der Sonne aalen. Sie haben ihr Paradies gefunden.
Immer wieder zurückblickend verlassen wir nach einiger Zeit den Strand wieder, bis er hinter dem Hügel ganz und gar verschwindet.
Trotz dieser Vorteile gibt es aber auch einen entscheidenden Nachteil, Collingwood ist dermaßen klein, dass es keine Apotheke gibt. Das scheint nun nicht weiter dramatisch zu sein, doch wenn man wie ich von Bedbugs (kleinen fiesen Insekten, die in Betten, Kleidung usw. leben) zugestochen wurde, dass ein nicht unerheblicher Teil meines Körpers nicht nur rot, sondern auch gewaltig angeschwollen war, bedauert man es sehr, sicht nicht umgehend mit Antijuckreizpillen zustopfen zu können…
Blenheim 28.03.2007 – 04.04.2007
Von Collingwood machten Sven und ich uns dann kratzender Weise auf den Weg nach Blenheim, wo die Mädels schon wie wild am Wein ernten waren.
Svavek aus Polen nahmen wir freundlicherweise auch noch gleich noch 200 Kilometer mit in unsere Richtung. Wir unterhielten uns ein bisschen über mehr oder weniger belanglose Dinge und fachsimpelten über das Wesen der gemeinen Bedbugs.
Während ich endlich in den Genuss von Antujuckreizpillen kam, fuhr das Auto gemütlich weiter durch die neuseeländische Landschaft Blenheim entgegen.
Das dumme an Blenheim war, wie wir schnell erkannten, dass es dort nicht viel mehr als Wein gab. Natürlich schöne Reben, große und kleine. Geerntete und solche, die es noch vor sich hatten. Es gab rote Trauben und weiße und grüne (dich nicht reif waren). Die Vielfalt dieser zahlreichen Weintrauben muss großartig für jene gewesen sein, die damit ihr Geld verdienen.
Sven und ich wollten allerdings kein Geld verdienen, sondern vielmehr die letzte gemeinsame Woche mit den Mädels genießen, die Landschaft bewundern und ein paar Freizeitaktivitäten nachgehen.
Dementsprechend euphorisch war Sven dann auch, als wir uns Blenheim näherten. „Oh, schau mal, Wein“, sagte Sven. „Oh, und dort, sieh nur, noch mehr Wein“, stellte er fest.
Man muss ihm tatsächlich Recht geben, vielmehr als Wein gibt es dort einfach nicht.
Laila hatte jedenfalls zwei Betten in Swampys Backpackers für uns reserviert und wir fuhren erst einmal dort hin. Swampys Rabatt lockte uns, und so entschieden wir uns, dort eine Woche zu verbringen. Jedoch waren wir keine zwei Minuten im Hostel als plötzlich eine ältere Dame ins Hostel geschneit kam und fragte, wer an seinem Auto das Licht angelassen habe. Wir waren es, gingen mit der Alten raus und sie fragte uns ganz nebenbei, ob wir nicht Lust hätten, für 150 Dollar ein bisschen Gras zu kaufen. Wir lehnten ihr Angebot dankend ab.
Kurz danach bezahlten wir für unser Zimmer und wieder kam jemand ins Hostel gestürmt. Sven und ich waren zu diesem Zeitpunkt fast die einzigen dort, da dieses Backpackers eher als Arbeitsunterkunft für sämtliche Weinarbeiter diente und sich das Hostel erst ab etwa vier Uhr schlagartig füllte.
Der Mann schaute Swampy an „We need winepickers for just two days“. Swampy schaute uns an. Ich schaute Sven an und er mich. Gemeinsam schauten wir dann alle drei den Mann an und Sven und ich entschlossen uns für zwei Tage Weinarbeit, mit der wir unsere komplette Woche Hostelaufenthalt refinanzieren konnten.
Wie sich später herausstellte, sollten wir nur für einen Tag arbeiten, was uns natürlich noch mehr zusagte. Unser erster und letzter Arbeitstag war dann der 31.03.2007.
In der Zwischenzeit hatten wir ein recht entspanntes Leben, freuten uns immer, wenn die drei Mädels völlig vom Dreck eingesaut und übermüdet nach Hause kamen.
Sven lebte sich dann auch einigermaßen gut im Hostel ein, da die Gegend gut zum Angeln geeignet war und mit Swampy und Grant (dem Manager) zwei echte Experten vor Ort waren.
Mit Grant verscherzte ich es mir allerdings schon am zweiten Tag. Ich stand spät auf und machte mein Frühstück während der Zeit, in der er die Küche putzte. Danach reinigte ich meine Zähne, während er das Badezimmer säuberte. Er schaute mich die ganze Zeit finster an. Ich entschuldigte mich aufrichtig und putzte draußen weiter. Kurz danach ging ich ins Internet und stellte fest, dass die Maus nicht ging. Die Zeit lief runter und ich brauchte Hilfe. Ich wandte mich an Grant. Das war dann der Punkt, an dem ich völlig unten durch war.
Im Nachhinein war es natürlich ein Fehler Grant nach seiner getanen Putzarbeit (auf die er wohl genauso wenig Lust hatte, wie die Queen auf ein Treffen mit dem französischen Ministerpräsidenten) bei seinem heiligen Breaskfast-Tea zu stören.
Die Stimmung war seitdem ein wenig angespannt, verschlechterte sich aber wenigstens nicht.
Sven und ich waren, so kann man sagen, sowieso die einzigen beiden im Hostel, die eigentlich keiner geregelten Arbeit nachgingen. Abends, nach der Ernte, debattierten die Bewohner dann über ihre unterschiedlich anstrengenden Arbeitstage.
Die erste Frage war meistens, ob man nach Stunde oder Kontrakt bezahlt wurde (Kontrakt bedeutet, dass man pro Korb eine Pauschale bekam und diese dann mit der Anzahl der abgegebenen Körbe multipliziert den Lohn ergab).
Die Kontraktarbeiter waren immer stolz auf sich, wenn sie mehr Körbe als die anderen gefüllt hatten, das war großartig für sie. Je mehr desto besser, um noch sogar noch besser, wenn die anderen weniger hatten.
Einen Tag arbeiteten auch die Mädels nach Kontrakt, was sie aber bereuten. Sie erzählten, dass, sobald der Startschuss fiel, die Erntehelfer wie die Hundertmetersprinter auf die Körbe stürzen und dann einen gewaltigen Sprint zur nächsten Rebe hinlegten und die Weintrauben im Rekordtempo in den Korb schmissen, um so schnell wie möglich den nächsten Korb voll zu kriegen.
Laila freundete sich dort mit einer kleinen Malaysierin an, denn Laila mopste einfach ihre Trauben. Da das schon gar nicht ging, wie kann man nur Trauben von einer Rebe pflücken, zumal von ihrer Rebe, hatten sich die beiden in den nächsten Tagen nicht mehr viel zu sagen.
Das Verhältnis wurde auch dadurch gespannter, da Laila und ich mit ihrer Kultur kollidierten. In Malaysia ist es zum Beispiel verboten, in der Öffentlichkeit die Hand der Freundin/des Freundes zu halten.
Lustigerweise schliefen die beiden auch noch im selben Raum und dazu auch noch in den Betten nebeneinander.
Die kleine Asiatin hat sich aber ihr eigenes Reich geschaffen (in diesem Raum gab es Doppelstockbetten und sie hatte ihren Schlafsack unter die obere Matratze gesteckt, sodass er wie ein Vorhang ihr Bett und ihren Schlaf beschützte).
Dann unterhielt man sich abends auch noch über Haschisch, einen Inder, der einige Weinplantagen besitzt. Man unterhielt sich über verschiedene Trauben und wenn man dann nicht mehr wusste, was man noch sagen sollte, unterhielt man sich nochmals ausführlich darüber, wie viele Körbe man denn an diesem Tag geschafft hatte.
Sechsuhrzwölf klingelte mein Wecker und ich machte schnell Sven wach, da wir heute unseren Arbeitseinsatz hatten und 6:30 Uhr abgeholt worden.
Wir stiegen ins Auto, in dem schon zwei ältere Männer saßen und in ein Gespräch vertieft waren. „Ah, fuck, yes, I fucking hate getting up that early, fuck!”, sagte der Fahrer. Der Beifahrer pflichtete ihm bei. Sven und ich waren zwar noch sehr müde, aber beide sehr entzückt von der Lache und der Ausdrucksweise des Fahrers. So konnte der Morgen beginnen. Es gab nicht einen Satz, in dem nicht das Wort „Fuck“ oder eines seiner Derivate vorkam. Gepaart mit der lustigen Lache ein lustiges Unterfangen.
Wir holten dann noch Pavel ab, ein Backpacker aus der Schweiz und Maurice, einen 25jährigen Maori aus Blenheim.
Gemeinsam fuhren wir etwa eine halbe Stunde zur Weinplantage. Ich döste noch ein bisschen und träumte von Fuck.
Als wir ankamen, stieg der Fahrer sehr behäbig aus seinem Wagen, nicht ohne sich zu beschweren, wie anstrengend das ist („Fuck…“). Der Fahrer erntet schon seit Jahren Wein und seine Bewegungen machen einen trägen Eindruck, als ob sie nur zur Weinlese optimiert seien, nicht aber, um normal aus einem Auto zu steigen.
Wir fingen an zu ernten, nach fünf Minuten hatte ich keine Lust mehr und noch neun Stunden Arbeit vor mir.
Die erste Pause war gegen zehn Uhr. Wir saßen uns wieder ins Auto, aßen etwas, hörten dem Fahrer zu („Those bloody grapes, ah, fuck!“) und schauten Maurice zu, wie er sich in Ruhe einen Joint baute. Als es kurz danach mit der Lese weiterging, beschwerte sich Maurice laut „oh man, these brakes aren’t made for a good joint, man!“.
Wir ernteten Sauvignon Blanc und die Trauben ließen wir in weiße Plastikeimer plumpsen, auf die man sich zum Glück setzen konnte, um seinen Rücken zu schonen. (Wir dachten an die Mädels, wie sich auf Knien kriechend die Trauben abschnippelten und in zum Sitzen unbequeme Körbe schmissen).
Da die Eimer so bequem auch nicht waren und man mitunter auch im Stehen ernten musste, tat nach einiger Zeit der Rücken weh und ich freute mich, dass ich nur einen Tag arbeiten musste.
Die Ernte selbst war sehr relaxt, man konnte sich Zeit lassen und einige Pausen nehmen, die nicht vom Lohn abgezogen wurden.
Als wir den ersten Abend im Backpackers waren, stellte ich fest, dass zwar alle Leute auf Weinplantagen arbeiteten, aber dennoch alle Bier en masse tranken. Ich fragte mich im Stillen, warum sie denn keinen Wein trinken würden.
Nach dem Tag kannte ich die Antwort.
Wir ernteten den Wein nach Reihen. Jede Reihe hatte eine eigene Nummer. Als dann jemand schrie „oh, row 349, I love you!!“, wussten wir, dass der Feierabend kurz bevor stand (wir starteten natürlich nicht bei Reihe eins…)
Feierabend heißt, alles fallen lassen und erstmal zu einer Scheune zu fahren und Bier trinken und Chips essen. Wie eine große Familie saßen sie dort alle und tranken ihr Bier und aßen die Chips – Maurice drehte sich wieder einen und der Fahrer fluchte die ganze Zeit („oh damn, I’m fucking glad this bloody work has just finished now, ah fuck!“).
Nach einer halben Stunde Bierkonsum fuhren wir wieder eine weitere halbe Stunde nach Hause (übrigens bekamen wir die Fahrzeit bezahlt).
Als wir dort ankamen, waren wir zu unserer Verwunderung nicht annähernd so dreckig, wie es die Mädels üblicherweise waren, wir als Weintraubenschneideranfänger.
Das war also der März des Jahres 2007. Ein weiterer Monat fernab der Heimat in Neuseeland. Ein weiterer Monat mit vielen Erfahrungen, Eindrücken und Erlebnissen…